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Hochwasserschutz aus der Cloud: wie Kommunen sich mittels KI besser vor Katastrophen schützen können4 min read

22. September 2023, Lesedauer: 3 min

Hochwasserschutz aus der Cloud: wie Kommunen sich mittels KI besser vor Katastrophen schützen können4 min read

Lesedauer: 3 Minuten

Durch die Ahrtal-Katastrophe am 14./15. Juli 2021 in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sind sie wieder in den Fokus gerückt: Unwetterfrühwarnsysteme. In Momenten, in denen jede Minute zählt, sind sie entscheidende Helfer bei der rechtzeitigen Ergreifung von Schutzmaßnahmen. Welche Vorteile die Digitalisierung beim Schutz der Menschen gegen Hochwasser bietet und wie wichtig es ist, auch kleinere Gewässer und Faktoren wie die Bodenfeuchte zu monitoren, zeigt ein Modellprojekt im Schwarzwald.

Endress+Hauser_Hochwasser_Fruehwarnsystem
Wenn kritische Werte erreicht werden, informiert das System alle NutzerInnen automatisch über jedes internetfähige Gerät und auch offline via SMS oder Anruf.

Wenn das Wasser nicht mehr abfließen kann, ist der Mensch in Gefahr. Insbesondere in gebirgigen Regionen aber auch in Landschaften, die von Tälern oder Schluchten geprägt sind, stellen andauernde heftige Regenfälle ein großes Risiko für die Bevölkerung dar. 2021 schossen die Pegel von Bächen und Flüssen in vielen Gebieten in Deutschland unerwartet schnell nach oben und zahlreiche Gemeinden wurden überschwemmt. Die Herausforderung für Landkreise und Kommunen ist groß und der Einsatz verlässlicher moderner Technik ein Muss. Eine Lösung könnte das neue Frühwarnsystem Netilion Flood Monitoring bieten, das mit Hilfe von Sensormessungen und einer künstlichen Intelligenz (KI) Prognosen erstellt und so frühzeitige Schutzmaßnahmen ermöglicht.

Modellprojekt im Schwarzwald sammelt Erfahrungen mit der neuen Technik
Die Gemeinde Lenzkirch im Schwarzwald testet das Frühwarnsystem bereits seit Dezember 2020. Zwei Flüsse schlängeln sich mitten durch den Ort, der sich in einer Kessellage befindet. Zuletzt kam es dort 2018 zu einer Überschwemmung. Sie riss damals eine Brücke mit und richtete Schäden in Höhe von mehreren hunderttausend Euro an. Jetzt sind rund um den Ort mehr als ein Dutzend Sensoren installiert, sie füttern die KI mit Daten. „Das System kann ein Hochwasser natürlich nicht vermeiden“, sagt der Bürgermeister der Gemeinde Lenzkirch, Andreas Graf. „Aber wir gewinnen durch die frühe Warnung wertvolle Zeit, um die nötigen Maßnahmen einzuleiten. Bei einer Überschwemmung zählt schließlich jede Minute.“

Datenbasierte Entscheidungshilfe beim Thema Hochwasserschutz
Entwickelt wurde das innovative Frühwarnsystem gemeinsam von dem Unternehmen Endress+Hauser und der Okeanos Smart Data Solutions GmbH, einem Start-up mit Wurzeln in der Ruhr-Universität Bochum. Die Mess- und Wassertechnikexperten haben sich zum Ziel gesetzt, Hochwasserschutz neu zu definieren und zu einem selbständig lernenden System zu entwickeln. „Wir möchten mit unserer Lösung dafür sorgen, dass die Anwender das Überschwemmungsrisiko für ihr Gebiet genau einschätzen und zielgerichtet die nötigen Schutzmaßnahen einleiten können“, sagt Florian Falger, der zuständige Market Manager bei Endress+Hauser. Ob BürgermeisterInnen, Feuerwehrleute, das Technische Hilfswerk oder Mitarbeitende von Bauhöfen und Ingenieurbüros: Mit Netilion Flood Monitoring können sie sich alle online per Smartphone oder Computer in Echtzeit darüber informieren, wie sich Gewässer in ihrem Gebiet
entwickeln. „Das gelingt uns mithilfe von Pegelmessgeräten, Starkregensensoren, Regenmengenmessern und Bodenfeuchtesensoren“, erklärt Florian Falger. Zum Beispiel erkenne die Sensorik, ob die Böden im Umkreis der ­Bäche noch Regenwasser aufnehmen können oder bereits zu stark gesättigt sind. Vor allem wenn die Pegelstände der großen Gewässer zurückgingen, sei dies ein wichtiger Faktor, der von der bisher eingesetzten Technik der Kommunen noch nicht berücksichtigt werde. „Gewässer 2. und 3. Grades werden von den bestehenden Systemen in Deutschland bislang quasi nicht überwacht“, so Florian Falger. Sie im Blick zu behalten, sei jedoch essentiell, um keine bösen Überraschungen zu erleben.

Endress+Hauser_Hochwasser_Fruehwarnsystem_Floodlight
Das System ist schnell und ohne aufwändige
bauliche Maßnahmen installiert und einsatzbereit.

Cloudbasierte Messtechnik, die mit jedem Tag mehr über das Gebiet dazulernt
Die verschiedenen Sensoren von Netilion Flood Monitoring senden ihre Messwerte in die zertifizierte Cloud-Plattform Netilion von Endress+Hauser. Dort verrechnet die KI sie miteinander und bringt sie in Zusammenhang. „Auf Basis der Werte sowie weiterer Daten wie zum Beispiel der Wetterprognose kann unsere KI vorhersagen, ob ein Hochwasser droht und an welchen Stellen die Ursachen dafür liegen“, sagt Henning Oppel, der gemeinsam mit Benjamin Mewes Okeanos gegründet hat. Wenn kritische Werte erreicht würden, informiere das System alle NutzerInnen automatisch über jedes internetfähige Gerät und auch offline via SMS oder Anruf. „Der große Vorteil einer künstlichen Intelligenz liegt darin, dass sie sich selbstständig optimiert. Unser Algorithmus lernt mit der Zeit dazu und versteht ein Gebiet somit immer genauer“, sagt Benjamin Mewes. „Die Digitalisierung ermöglicht also nicht nur schnellere Entscheidungen, sondern auch langfristige Verbesserungen der Hochwasserschutzkonzepte.“ Netilion Flood Monitoring ist bei Bedarf innerhalb von einem Tag startklar. Fast alle Sensoren sind batteriebetrieben und bedürfen keiner Infrastruktur. Aufwendige Baumaßnahmen und Genehmigungen sind für die Installation nicht nötig. Bestehende Systeme wie die Landespegelmessstellen werden in die Analyse integriert.

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