Abwassertechnik Wärme- & Energieversorgung

Umweltfreundliche Wärme aus Abwasser: Originelle Idee – unkonventionelle Lösung4 min read

29. Juli 2016, Lesedauer: 3 min

Umweltfreundliche Wärme aus Abwasser: Originelle Idee – unkonventionelle Lösung4 min read

Lesedauer: 3 Minuten

Dem einen stinkt’s, für den anderen ist es Teil eines intelligenten Energiekonzepts: Klärschlamm. Zugegeben, jedermanns Sache ist das nicht.

Doch wer sich professionell mit Abwässern und deren Reinigungsprozessen beschäftigt, kommt auf Ideen. So wie der Zweckverband Abwasserbeseitigung Hengersberg-Niederalteich, Betreiber eines Klärwerks in der kleinen niederbayerischen Gemeinde Niederalteich im Kreis Deggendorf. Sie nutzen den anfallenden „warmen“ Klärschlamm zur Gewinnung von Heiz­energie für ihr Betriebsgebäude. Geplant und realisiert wurde das unkonventionelle Wärmepumpenprojekt von Stiebel Eltron.

Wer sauberes Wasser will, muss investieren. So wie der Zweckverband Abwasserbeseitigung im Raum Hengersberg, Niederbayern: Im Jahr 2012 wurde die örtliche Kläranlage in Niederalteich aufwändig saniert und ausgebaut. Ausgelegt ist sie für den Bedarf von bis zu 28.000 Einwohnern, derzeit sind rund 500 Gewerbebetriebe mit einem erhöhten Klärbedarf angeschlossen, dazu kommen rund 10.000 private Haushalte. Die Gesamtmenge des täglichen Brauchwassers ist allerdings stark vom jeweiligen Wetter abhängig: Bei Regen gelangen über 12.000 m3 in die Anlage, an trockenen Tagen sind es teilweise nur 2.800 m3.

Renovierungsarbeiten
Es wurde das Betriebsgebäude im Erdgeschoss komplett renoviert und um ein Obergeschoss aufgestockt, außerdem wurden neue Klärbecken dazugebaut – zwei sogenannte Belebungsbecken. Und die haben es in sich, und zwar in Form von Kollektoren, die dem Beckeninhalt Wärme entziehen und diese anschließend der Wärmepumpe zuführen. Das gelingt, weil im Belebungsbecken das Abwasser durch aerobe Mikroorganismen „bearbeitet“ wird. Deren Stoffwechselaktivität wiederum garantiert das ganze Jahr über eine relativ hohe Grundtemperatur – im Sommer liegt sie bei rund 14 C°, im Winter bei mindestens ­5 C°, der Schnitt pro Jahr beträgt etwa 12 C°. Im Prinzip arbeiten die beiden Kollektoren in den 3.000 m3 fassenden Klärbecken wie Erdkollektoren, nur dass man sich in Niederalt­eich die dafür notwendigen Bohrungen sparen konnte – und natürlich auch die Kosten dafür. Stattdessen sind sie mit PE-Rohren verbunden, die in Schleifen an den jeweiligen Innenwänden der beiden Becken angebracht sind. Insgesamt 500 m Rohrleitungen wurden verbaut, aufgrund des korrosionstechnisch vergleichsweise aggressiven Abwassers sind sie mit Spezialhalterungen aus Edelstahl befestigt − und zwar mit 15 cm Abstand zur Beckenwand, damit sich keine Schwebteile in der Konstruktion festsetzen können. Realisiert hat diese Lösung der Heizungsbauer Markus Wasmeier aus dem benachbarten Aidenbach. Ganz wichtig aber war, dass die Planungen für diese unkonventionelle Lösung vor dem Baubeginn bereits fix und fertig waren. So konnten beispielsweise nach den Vorgaben des Büros EBB Ingenieurgesellschaft aus Regensburg beim Gießen des Betonbeckens die Durchführungen gleich mit ausgespart werden.

Energieeffizientes Heizkonzept
Hinter der Anlage steht ein Heizkonzept mit regenerativer Energie, das im Zuge der Renovierung des Betriebsgebäudes realisiert wurde. Anstelle der alten Ölheizung sorgt dort jetzt eine Sole/Wasser-Wärmepumpe von Stiebel Eltron für die Beheizung und Warmwasserbereitung. Zum Einsatz kam der Typ WPF 10 mit 13 kW Heizleistung. Im Technikraum des Gebäudes untergebracht sind außerdem ein Pufferspeicher SBP 200 E mit 200 Litern Fassungsvermögen sowie ein Warmwasser-Standspeicher SBB 302 WP mit 300 Litern und einer Wärmetauscherfläche von 4,8 m2 – es handelt sich um den kleinsten verfügbaren Speicher mit der größten Wärmetauscherfläche. Sie überträgt die Wärme besonders  effizient.

Wärmepumpe
Die Wärmepumpe versorgt über den Pufferspeicher die Fußbodenheizung im Betriebsgebäude, die beheizbare Grundfläche beträgt knapp 150 m2. Hinzu kommt der einzige Heiz­körper im Gebäude, der aber auf die Fuß­bodenheizungstemperatur ausgelegt ist, so dass kein Mischer nötig ist. Die Warmwassertemperatur ist auf 47 °C voreingestellt, zur Legionellenprophylaxe wird sie einmal am Tag auf über 60 °C hochgefahren. Neben den üblichen Entnahmestellen etwa in der Küche muss auch eine Dusche mit Warmwasser versorgt werden. Da bis zu vier Personen auf dem Betriebsgelände arbeiten, wurden entsprechende tägliche Duschgänge ins Konzept eingeplant.

Innovative Idee des Klärmeisters
Die Idee zu dieser unkonventionellen Wärme­gewinnung aus Klärschlamm stammt vom Niederalteichner Klärmeister selbst. In Manfred Knapp, dem Vertriebsbeauftragten von Stiebel Eltron für diese Region, fand er einen kongenialen, weil experimentierfreudigen Part­­ner. Die Grundsatzentscheidung, im Zuge der Renovierung und Erweiterung erneuerbare Energien zu nutzen, fiel allerdings auf „höherer“ Ebene: für Bürgermeister Chris­tian Mayer steht moderne und umweltschonende Technik ganz obenan – und für ihn ist das Klärwerk ein Vorzeigeprojekt, von dem er sich wünscht, dass es Schule macht und Nachahmer findet. Der Haken bei der Sache: Diese originelle Lösung eignet sich ausschließlich für kommunale Abwasserreinigungsanlagen. Als Wärmereservoir haben Klär­anlagen hohes Potenzial, das sich aber nur für den Kläranlagenbetrieb selbst nutzen lässt. Denn aus naheliegenden Gründen liegen Kläranlagen abseits von Wohn- und Gewerbegebieten. Und Nahwärmenetze lohnen sich nicht: der Verlust ist selbst auf den vergleichweise kurzen Strecken zu hoch. Allerdings könnten sich die allein in Deutschland knapp 10.000 existierenden Kläranlagen von der innovativen Lösung in der niederbayerischen Gemeinde inspirieren lassen und so energieeffizient ihren eigenen Wärmebedarf produzieren.

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