System zum Monitoring von Betonkorrosion übermittelt Gebäudezustand in Echtzeit5 min read
Lesedauer: 3 MinutenIm Juni 2021 sackte die Salzbachtalbrücke bei Wiesbaden um einen halben Meter ein und herausbrechende Betonbrocken beschädigten die darunterliegende Fahrbahn. Um solch gefährliche Vorfälle und drohende Katastrophen zu verhindern, müssen neben diesem akut einsturzgefährdeten Bauwerk nun auch tausende weitere Brücken in Deutschland aufwändig überprüft werden. Der Grund für das plötzliche Versagen jahrzehntealter Brücken, aber auch Parkhäuser, Tunnel und Fassaden ist die Korrosion des als primären Baustoff verwendeten Stahlbetons. Im schlimmsten Fall ist der Abriss gefährdeter Bauwerke aus Sicherheitsgründen erforderlich. Doch auch eine Sanierung kann – abhängig vom Fortschritt der Korrosion – sehr teuer werden. Um den Zustand eines Bauwerks jeder Zeit überwachen und bei Bedarf rechtzeitig Maßnahmen zu dessen Erhaltung ergreifen zu können, hat die norwegische Protector AG ihr bewährtes Korrosionsmonitoringsystem inzwischen in der dritten Generation weiterentwickelt. Camur III arbeitet nun Cloud-basiert. Somit lassen sich die Echtzeit-Daten zum Zustand der Bausubstanz per Fernzugriff auslesen und visualisieren. Im Bauwerk kann dabei eine Vielzahl an hochsensiblen Sensoren in das neue System integriert werden, die projektspezifisch miteinander kombinierbar sind.
Immer wieder hört man von einstürzenden Brücken, Hochhäusern, Garagen oder ähnlichen Bauwerken“, so Jürgen Schwab, Geschäftsführer der Protector KKS GmbH, der deutschen Niederlassung der Protector AG. „Die Hauptursache ist dabei in den meisten Fällen die jahrelang voranschleichende und ignorierte Korrosion im Stahlbeton.“ Vielerorts wird zwar die Statik von als gefährdet eingestuften Bauwerken überwacht, doch entsprechende Messungen schlagen häufig erst Alarm, wenn die Korrosion bereits weit fortgeschritten ist. Dies kann wiederum aufwändige und kostenintensive Sanierungen bis hin zu Abrissen nach sich ziehen, die bei einem früheren Einschreiten vermeidbar gewesen wären. Daher hat es sich Protector zur Aufgabe gemacht, die Überwachung und Erhaltung von Stahlbeton mithilfe ihrer eigens entwickelten Technologien ökonomisch wie ökologisch nachhaltig zu gestalten. Hierfür vollzieht das Unternehmen die unmittelbaren Korrosionsvorgänge mithilfe von elektrochemischen Messungen detailliert nach. Die moderne Sensorik des Camur III-Systems ermöglicht es, die Bausubstanz mit dem geringstmöglichen Aufwand zu überwachen sowie zu warten und so die Lebenszeit der Bauwerke massiv zu erhöhen.
Live-Übertragung und Sicherung der Messergebnisse in die Cloud„Korrosion ist ein Vorgang, der von unterschiedlichen Faktoren bedingt wird, wie z.B. Feuchtigkeit, Temperatur und Tausalzen“, erklärt Schwab. „Daher gibt es auch nicht einfach ‚die Korrosionsmessung‘.“ Stattdessen müssen die einzelnen physikalischen Größen jeweils dokumentiert und miteinander in Beziehung gesetzt werden, damit valide Rückschlüsse auf den Korrosionsprozess getroffen werden können. Aus diesem Grund bildet eine umfangreiche Sensorik die Basis des Camur III-Systems. Zur obligatorischen Standardausführung zählen dabei feste Bezugselektroden und dauerhafte Potentialmessungen zur Beurteilung der Korrosionswahrscheinlichkeit, ein Makrokorrosionssensor, der den Elementstrom von repräsentativen Bereichen überwacht, sowie je ein Widerstands- und ein Feuchtigkeitssensor, die im Zusammenspiel miteinander Anhaltspunkte zum Durchfeuchtungsverhalten des Stahlbetons geben. Dieses Grundkonzept, mit dessen Hilfe sich bereits maßgebliche Aussagen zum Zustand der Bausubstanz treffen lassen, kann je nach Bedarf durch weitere, auch unabhängige und über das reine Korrosionsmonitoring hinausgehende Sensoren wie bspw. zur Statik- und Rissüberwachung ergänzt werden. Die gesammelten Werte werden über einen Messknoten, der die Kommunikation der einzelnen Sensoren sicherstellt, an den Camur III Controller übermittelt. Diese zentrale Einheit steuert das gesamte System, speichert die Daten und leitet sie schließlich via Ethernet an einen 4G- oder 5G-Router weiter. Von dort aus werden die Messergebnisse an die Camur Cloud gesendet, wo sie einerseits von Protector selbst überwacht und ausgewertet werden, zugleich aber auch unmittelbar den Nutzern zur Verfügung stehen. „Das ist die größte Neuerung dieser dritten und aktuellen Camur-Generation, die auch mit der Vorgängerversion kompatibel ist“, erläutert Schwab. „Dank der Cloud und unserer neuentwickelten Software, dem Camur Workspace, eröffnet sich eine Vielzahl an erweiterten Funktionen und Nutzungsmöglichkeiten.“ Zum einen entfallen nach der Erstinstallation regelmäßige Vor-Ort-Wartungen sowie jeglicher Verwaltungsaufwand. Denn von Software-Updates über das Sicherstellen der Funktionsfähigkeit der einzelnen Komponenten im Rahmen eines Wartungsvertrags bis hin zum Auslesen und Auswerten der Messergebnisse kann Protector alles werkseitig erledigen. Zum anderen hat der Anwender nun die Möglichkeit, sich ortsunabhängig über eine Weboberfläche einzuloggen und die grafisch aufbereiteten Daten zu seinem Objekt live einzusehen.
Nachhaltiger Korrosionsschutz dank IoT und Cloud Computing
Anlässlich der Markteinführung der dritten Generation im September 2021 wurde Camur III erfolgreich im Rahmen von Instandsetzungsarbeiten an der Tiefgarage des Landratsamtes in Hofheim am Taunus implementiert. Dort fungiert es als Kontrollsystem, um den Erfolg der partiellen Betoninstandsetzung zu überwachen und den Sanierungsaufwand so auf ein Minimum zu begrenzen. Zu diesem Zweck wurden insgesamt drei Bauabschnitte mit jeweils 1.500 m2 Betonfläche mit entsprechender Sensorik zur Elementstrom-, Potenzial-, Widerstands- und Temperaturmessung ausgestattet. Sind zusätzliche Maßnahmen zum Erhalt der Bausubstanz notwendig, kann in Kombination mit Camur III auch auf die eigens entwickelten Systeme zum kathodischen Korrosionsschutz von Protector zurückgegriffen werden. „Die Integration des Korrosionsmonitoring in das Internet of Things (IoT) macht die Erhaltung und Sanierung von Betonbauten sowohl einfacher als auch sicherer“, wirft Schwab ein. So ist das System selbst langlebig sowie wartungsfrei, da sich per Fernzugriff alle Funktionen überwachen und die Software unkompliziert auf den neuesten Stand bringen lassen. Der Cloud-Service mit individuellen Backup- und Exportmöglichkeiten lässt dabei keinerlei Datenverlust zu. Zugleich sind aufgrund des verschlüsselten Zugriffs über die Webanwendung weder zusätzliche Softwareinstallationen, noch Firewalls oder VPN-Verbindungen notwendig. Darüber hinaus laufen die Überwachungsprozesse dank des Cloud Computing nun weitgehend automatisch ab. „Auf diese Weise lassen sich finanzielle wie natürliche Ressourcen vernünftig und intelligent einsetzen, da Betonbauten mit geringem Aufwand möglichst lange erhalten werden“, resümiert Schwab. „Indem man zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Maßnahmen ergreift, lassen sich etwa der Wasserverbrauch und der Ausstoß von CO2-Emmissionen massiv senken, die andernfalls in großen Mengen bei Betonabtrag- und abbrucharbeiten sowie zur Neuproduktion von Zement anfallen.“
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