Kläranlage Stendal mit moderner Technologie auf dem Weg zur Energieautarkie5 min read
Lesedauer: 4 MinutenKommunen in ganz Europa suchen nach Wegen, ihren Energieverbrauch zu reduzieren und ihren CO2-Fußabdruck zu minimieren. Die Erzeugung von Biogas bei der Abwasseraufbereitung bietet eine Möglichkeit für Anlagen zur Selbstversorgung mit Energie. Um die Autarkie zu erreichen, müssen allerdings die Anlagenteile effizient arbeiten.
Die Abwasseraufbereitungsanlage in Stendal in Sachsen-Anhalt will sich bis 2025 vollständig selbst mit Energie versorgen. Der Standort verfügt über eine Anlage zur Biogaserzeugung, mit der emissionsarme Energie aus Abwasser gewonnen werden kann. Bei der Wasseraufbereitung anfallender Schlamm wird in Speichertanks gepumpt und dann zur Biogasanlage geleitet. Um die Abhängigkeit vom Stromnetz zu verringern und den Prozentsatz der mit kohlenstoffarmer Energie betriebenen Anlagen zu erhöhen, begannen die Betreiber der Anlage mit der Prüfung von Verbesserungen an den Anlagen, um dies zu erreichen. Verbesserungspotenzial wurde schnell bei den Exzenterschneckenpumpen identifiziert. Exzenterschneckenpumpen werden zur Beförderung großer Mengen Schlamm verwendet, die bei der Abwasseraufbereitung anfallen. Dieser Pumpentyp wird bevorzugt, da die Bauweise Verstopfungen vorbeugt und auch feststoffhaltige Flüssigkeiten aufnehmen kann. Exzenterschneckenpumpen sind bei der kontinuierlichen Abwasseraufbereitung rund um die Uhr in Betrieb. Dies ist jedoch mit einem großen Energieaufwand verbunden. Zudem laufen die Pumpen oft mit niedriger Geschwindigkeit, was zur Folge haben kann, dass die Antriebsmotoren ineffizient arbeiten. Mit dem erklärten Ziel der Energieunabhängigkeit wollten die Betreiber der Abwasseraufbereitungsanlage Stendal die Effizienz dieser Pumpen erhöhen und so den Energiebedarf insgesamt senken. Den Anlagebetreibern stand eine bewährte Lösung zur Verfügung. „Wir sind weltweit führend in der Getriebemotortechnologie“, erklärt Marc Piwko, Key Account Manager bei Bauer Gear Motor. „Dies belegt unser Portfolio von Permanentmagnet-Synchronmotoren (PMSM), die außergewöhnliche Effizienz über die gesamte Leistungskurve bieten. Diese Einheiten sind ideal für den Dauerbetrieb, wenn der Energieverbrauch gesenkt und die Wirtschaftlichkeit optimiert werden sollen.“ Die PMSM von Bauer verfügen über ein effizientes Rotordesign, das auf optimierte Permanentmagnete abgestimmt ist und so einen klaren Leistungs- und Effizienzvorteil gegenüber herkömmlichen Konstruktionen bietet. Am Rotor entstehen keine Wärmeverluste, die Gesamtverluste sind um 25 Prozent geringer. Im Vergleich zu anderen Antrieben profitieren die Betreiber in der Regel von einer konstanten Verbesserung des Motorwirkungsgrads von über 10 Prozent. PMSM von Bauer gibt es in Ausführungen, die die Effizienzstandards IE3, IE4 und sogar IE5 gemäß IEC TS 60034-30-2 erfüllen.
Effizienzsteigerung mittels PMSM
Ein wesentlicher Vorteil von PMSM in Exzenterschneckenpumpen besteht darin, dass sie bei niedrigen Geschwindigkeiten ein hohes Drehmoment mit erhöhtem Wirkungsgrad abgeben. Um Verschleiß zu vermindern und eine Leistungsreserve für hohe Wasseraufkommen zur Verfügung zu haben, laufen die Pumpen in Stendal üblicherweise mit etwa 25 Hz, einer Frequenz, bei der ein Asynchronmotor überdimensioniert sein müsste, damit er das gewünschte Drehmoment liefert. Dadurch würde jedoch Energie verschwendet. Aufgrund ihres bauartbedingten Verhaltens unter Teillastbedingungen können PMSM bei kleinerer Auslegung hingegen bei dieser Geschwindigkeit das volle Drehmoment bereitstellen. Ein großes Drehmoment steht auch direkt nach dem Anfahren zur Verfügung – ideal für Pumpanwendungen. Nicht zuletzt können die Betreiber unter Teillastbedingungen im Vergleich mit Asynchronmotoren Energieeinsparungen von über 30 Prozent erwarten. Diese Vorteile sind auch der deutschen Circor-Niederlassung Allweiler GmbH nicht verborgen geblieben, einem führenden Pumpenhersteller, der mit Bauer zusammenarbeitet, um seine Pumpen mit PMSM zu kombinieren. 2017 führten die beiden Unternehmen in der Kläranlagen Bayreuth ein Versuchsprojekt durch, das zu erheblichen Effizienzverbesserungen führte. Für Stendal spezifizierte Allweiler Exzenterschneckenpumpen der Reihe AE2E, die aufgrund ihrer Fähigkeit, hochviskose und aggressive Flüssigkeiten mit einem hohen Gehalt an Feststoffen oder Fasern zu fördern, häufig in Abwasseranwendungen zum Einsatz kommen. Wegen ihrer hohen Verschleißfestigkeit bieten diese Pumpen darüber hinaus eine lange Nutzungsdauer. Die AE2E wurden mit PMSM-angetriebenen Stirnradgetriebemotoren der Reihe BG30 kombiniert und im Keller des Pumpenhauses der Kläranlage installiert. „Ein weiterer Vorteil der PMSM-Konstruktion ist ihre hohe Leistungsdichte. Das bedeutet, dass wir Antriebe effektiv und ohne Leistungsverlust verkleinern und zugleich den Wirkungsgrad verbessern können. In Stendal konnten wir von dem ursprünglichen Asynchronmotor mit 5,5 kW auf einen 3-kW-Motor umstellen“, so Marc Piwko. „Außerdem bedeutet die niedrige Wärmeabgabe von PMSM, dass keine Kühllüfter notwendig sind, wodurch sich ein weiterer Wertvorteil ergibt.“
24 Prozent weniger Energieverbrauch
Die Vorteile der Umstellung auf Allweiler-Pumpen mit Stirnradgetriebe-PMSM von Bauer belegen die Zahlen, wie Michael Riske, Leiter Wasser/Abwasser Stadtwerke Stendal, feststellte: „Wir haben nacheinander für jeweils einen Monat zwei identische Pumpen mit einem PMSM beziehungsweise einem Asynchronmotor der Effizienzklasse IE3 betrieben und den Stromverbrauch sowie die Primärschlammpumpleistung verglichen. Dabei stellten wir fest, dass die Pumpe mit dem PMSM 24 Prozent weniger Energie verbrauchte.“ Im Beurteilungszeitraum verbrauchte die Pumpe mit dem PMSM 495,3 kW Energie zum Pumpen von 2.410 m³ Primärschlamm. Der Asynchronmotor der Effizienzklasse IE3 benötigte 729,3 kW zum Pumpen von 2.699,5 m³ Schlamm. Dies entspricht 4,9 m³ pro kW für den PMSM und 3,7 m³ pro kW für den IE3-Motor. In Stendal können die Exzenterschneckenpumpen von Allweiler bei gleicher Energieleistung fast ein Drittel mehr Schlamm pumpen. Neben der größeren Energieeffizienz bieten die Getriebemotoren von Bauer auch eine verbesserte Anwendungsleistung. Klaus Kaiser, Vertriebsingenieur bei Allweiler, hat die Ergebnisse verschiedener Anlagen im Blick, wenn er hinzufügt: „Unserer Erfahrung nach dauert es höchstens sechs Monate, bis sich ein PMSM amortisiert.“ In der Tat führte der geringe Stromverbrauch der Antriebe in Stendal dazu, dass der Return on Investment bereits nach drei Monaten erreicht wurde – und das bei gleichzeitiger Senkung des Gesamtenergiebedarfs, Verbesserung der Leistung und einem großen Schritt in Richtung CO2-Neutralität der Anlage.
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