Digitalisierung des Verteilnetzes: Netze simulieren, überwachen und in Echtzeit steuern6 min read
Lesedauer: 4 MinutenBei der Digitalisierungslösung GridCal handelt es sich um ein intelligentes System, das auf fortschrittlichen Algorithmen basiert und darauf abzielt die Stabilität sowie die Nachhaltigkeit des Stromnetzes zu verbessern. GridCal hat das Potenzial, die Energiewirtschaft zu transformieren, indem es die Integration erneuerbarer Energien verbessert, den Netzbetrieb optimiert und die Energieeffizienz steigert. Vorteile, die auch der kommunale Energieversorger strotög aus dem oberbayerischen Töging seit der Implementierung von GridCal zu schätzen weiß.
Die strotög GmbH ist der kommunale Energieversorger für die Bürger und Unternehmen vor Ort im oberbayerischen Töging. Damit der Netzbetrieb noch effizienter und reibungsloser funktioniert und eine hohe Versorgungssicherheit gewährleistet werden kann, setzen die strotög-Mitarbeiter auf Digitalisierung im Verbund mit elektrischer Messtechnik.
Wirtschaftliche Digitalisierung des Verteilnetzes
Der Kommunalversorger gehört zu den Anwendern von GridCal: Das System des Herstellers PQ Plus unterstützt Energieversorger auf ihrem Weg zur wirtschaftlichen und effizienten Digitalisierung des Verteilnetzes. Das Besondere daran ist die Kombination von dezentralen und zentralen Komponenten. In den Ortsnetzstationen sorgt die Digitalisierungs- und Automatisierungslösung GridCal Node dafür, dass alle wichtigen Informationen hochauflösend erfasst, sinnvoll verarbeitet, ausgewertet und für den Abruf On-Demand vorgehalten werden. Die Netzinformationen werden individuell aufbereitet und per Webbrowser dargestellt. Somit lassen sich die Netze zeitgleich simulieren, überwachen und Teilnehmer im Netz in Echtzeit steuern. „Am überzeugendsten ist, dass nicht nur der Trafo, sondern auch die ganzen Niederspannungsabgänge mit den Leistungsflussrichtungen gemessen werden“, erläutert Christian Reiter, Elektromonteur bei der strotög. „Ein weiterer Punkt: Die Daten vor Ort werden in der Station und nicht in einer Cloud gespeichert und man kann sich die Daten direkt aus der Ortsnetzstation holen, wenn man sie braucht. Die hochaufgelösten Rohdaten verbleiben in der Ortsnetzstation.“ Zu den Aufgabengebieten von Christian Reiter gehören alle Arbeiten im Niederspannungsnetz wie Kabelverlegung, Montagen von Kabelverteilerschränken und Hausanschlüssen, Instandhaltung von Straßenbeleuchtung sowie nicht zuletzt die Montage der Digitalisierungslösung GridCal.
Benutzerfreundliches System
Sobald die Netzstationen mit den GridCal Nodes ausgerüstet sind, kann der GridCal Operator in der Zentrale alle essenziellen Informationen der einzelnen Netz-Zellen zusammentragen. Andreas Vogl, technischer Leiter bei der strotög, stellt als Vorteil heraus: „Wenn wir mehr digitale Stationen im Netz haben, können wir diese über den GridCal Operator miteinander verbinden. Außerdem hat man bei GridCal eine Gesamtlösung, bei der von vorne bis hinten alles zusammenpasst. Der Fernzugriff ist bereits Teil des Systems inklusive der VPN-Verbindung. Die Benutzeroberfläche ist sehr leicht verständlich und übersichtlich.“ Mit GridCal tauschen die Versorger Abschätzungen und Annahmen gegen echtes Wissen auf Basis von realen Messdaten. Christian Reiter stellt die hohe Flexibilität bei Änderungen oder Erweiterungen als Vorteil heraus: „Außerdem lässt es sich sehr einfach mit dem System arbeiten
Von der Evaluierung zur Inbetriebnahme
„Wir haben uns andere Systeme angeschaut und waren auch auf einer Veranstaltung“ erzählt Andreas Vogl vom Evaluierungsprozess. „Das war wie das erste Microsoft Windows: Es schaut alles schön aus, aber ob es auch funktioniert, weiß niemand. Beim Informationsaustausch mit anderen Energieversorgern haben die Kollegen bemängelt, dass die Energieflussrichtung in ihren Systemen fehlt. Andere Systeme scheinen auf den ersten Blick zwar günstiger zu sein, aber wir wollen auch angezeigt bekommen, in welche Richtung die Energie fließt.“ Er ist sich sicher, dass eine Systemlösung mit allem notwendigen Zubehör sowie einer einfachen und sehr schnellen Montage die geringen Mehrkosten mehr als ausgleichen: „Bei den Lösungen der Firma PQ Plus ist bereits eine gewisse Qualität im Hintergrund vorhanden. Im Gegensatz zu neuen Anbietern ist das Vertrauen groß. Hier kann man von der Erfahrung in der Messtechnik profitieren.“ Der Vertriebsprozess mit PQ Plus kam gut an: „Bereits beim ersten Termin für die Vorstellung des Systems bei uns im Haus war ich mit dabei. Ich wusste bis dahin gar nicht, dass es solche Systeme auf dem Markt gibt. Der Austausch mit der Netzgesellschaft Niederrhein war ebenfalls sehr informativ“, so Christian Reiter. Auch ein Seminar für Netzbetreiber sowie die beiden Tage mit Montage- und Inbetriebnahmeschulung beim Versorgungsdienstleister PSInsight waren sehr hilfreich.
Erfahrungen aus der Montage
Die Montage läuft laut Christian Reiter sehr gut. „Die Inbetriebnahme ist für mich ein bisschen schwieriger“, gibt er zu. Ihm fehlt die Erfahrung mit der IT, insbesondere in Bezug auf den Umgang mit Tablets. Gelungen ist es ihm dann dank eines in der Zwischenzeit erarbeiteten Konzepts, das dokumentiert wo was montiert wird, wie die Kabelwege und auch die Verlegesysteme aufgebaut werden. „Ich versuche das in jeder Station umzusetzen, damit jede Station ein gleiches Erscheinungsbild hat“, fügt er an. Die Unterstützung von PQ Plus war seiner Meinung nach „auf jeden Fall wichtig und sehr hilfreich.“ Andreas Vogl zeigt das an einem konkreten Beispiel auf: „Bei der ersten Station gab es ein Problem mit vertauschten Adern. Bei der 24 V-Versorgung wurde Plus und Minus verwechselt. Die Station hat erstmal nicht funktioniert. Auf der Schulung lässt sich nicht jeder Fall durchspielen. Da kann sich schnell Nervosität ausbreiten. Gemeinsam mit PQ Plus haben wir das Problem lokalisiert und behoben. Dadurch lernt man in der Praxis in der eigenen Station sehr viel und nimmt Erfahrung für die nächste Station mit.“
Pläne und Herausforderungen
„Vier Stationen sind ausgerüstet“, berichtet Andreas Vogl. „Dieses Jahr sollen fünf bis sieben weitere Stationen folgen. Dabei starten wir mit den Schwerpunktstationen. Der Plan ist, im nächsten Jahr den GridCal Operator zu implementieren.“ Der Großteil der vorhandenen Ortsnetzstationen soll langfristig mit GridCal ausgestattet werden. Doch es gibt auch Herausforderungen. „Aufgrund unseres gewachsenen Gebiets verfügen wir über ein gut ausgebautes Netz“ erläutert Andreas Vogl. „Da das Innwerk günstigen Wasserkraftstrom lieferte, haben wir viele elektrische Heizungen. Die Freileitungen sind komplett zu Erdkabeln umgestellt worden. Die politische Situation führt nun zu neuen Anforderungen: Man soll Wärmepumpen installieren, Elektroauto fahren und PV-Anlagen installieren. Früher kalkulierten wir im Netzgebiet pro Haushalt mit 3,6 kW. Da sind wir mittlerweile weit davon entfernt.“ Gerade in gewachsenen Gebieten, in denen plötzlich PV-Anlagen, Wärmepumpen und Ladestationen zugebaut werden, entstehen Schwierigkeiten. „Bevor hier immense Investitionen getätigt und die alten gegen neue Leitungen getauscht werden, ist es einfacher, mit GridCal das vorhandene Verteilnetz zu analysieren“ ist sich Andreas Vogl sicher. „Wenn zum Beispiel einige PV-Anlagen in einem Ortsnetz installiert und die Leistungen einfach zusammengerechnet werden, addiert sich das schnell auf große Summen. Für ihn sei es wichtiger, den Normalbetrieb zu berücksichtigen und nicht den Worst Case. „Somit sind Investitionen in den Netzausbau viel zielgerichteter.“
Erschienen in zek KOMMUNAL Ausgabe 3/2023
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