Größtes „Rückwärtskraftwerk“ Österreichs bindet CO2 in Form von Pflanzenkohle4 min read
Lesedauer: 4 MinutenIn der oberösterreichischen Gemeinde Perg wird seit diesem Jahr nicht nur Wärme und Strom aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz gewonnen. Bei der hier durchgeführten Pyrolyse verbrennt das Hackgut nicht, sondern wird in Pflanzenkohle umgewandelt. Diese kann etwa zur Bodenverbesserung oder als Futtermittelzusatz eingesetzt werden. Alternativ kommt Pflanzenkohle vermehrt in Baumaterialien zum Einsatz. Das Beste: Sie bindet dadurch langfristig CO2.
Rückwärtskraftwerke ist die treffende Bezeichnung der innovativen Anlagen des Tiroler Unternehmens Syncraft. Anders als in konventionellen Heizwerken wird hier nicht nur mittels des nachhaltigen Rohstoffs Holz Wärme und Strom erzeugt, zusätzlich wird das entstehende CO2 gebunden. Denn die Besonderheit ist das nur bei den Holzkraftwerken von Syncraft entstehende dritte Produkt: Holzkohle, die qualitativ so hochwertig ist, dass sie als Grundlage zur Herstellung des besonders fruchtbaren Substrats Terra Preta dient, als Futtermittelzusatz zur Stabilisierung der Verdauung eingesetzt oder als hochwertige Holz-Kohle verkauft werden kann. Bei neuen alternativen Anwendungen von Pflanzenkohle wird etwa technischer Kohlenstoff in Betonlösungen eingebracht, wodurch Beton verbesserte Materialeigenschaften nachweisen und sogar klimapositiv werden kann. Damit entsprechen die Holzkraftwerke von Syncraft dem Konzept der Bioenergie mit Kohlenstoffspeicherung und tragen so zur negativen CO2-Emission bei.
Mit jeder erzeugten Kilowattstunde werden Emissionen gebunden
Dem zugrunde liegt das Pyrolyse-Verfahren: Bei diesem Prozess wird das Holz in zwei Stufen erhitzt, jedoch nicht verbrannt. In der ersten Stufe wird dieses getrocknet und anschließend zu Pflanzenkohle verarbeitet. Bei der zweiten Stufe wird die Kohle erneut erhitzt und so wird Holzgas gewonnen, welches an Motoren weitergeleitet und in erneuerbaren Strom umgewandelt wird. Während der Umwandlung von Gas zu Ökostrom entsteht zusätzlich Abwärme. „Mit jeder erzeugten Kilowattstunde werden Emissionen gebunden“, führt Dipl.-Ing. (FH) Marcel Huber, Geschäftsführer von Syncraft, aus. „Die Holzkohle entzieht der Atmosphäre dauerhaft CO2, speichert Wasser und Nährstoffe im Boden, das diese langsam wieder an die Pflanzen abgibt“, ergänzt Ing. Leo Riebenbauer, Planer der Anlage in Perg und verantwortlich für die Bauabwicklung. „Es wird somit witterungsunabhängig aus dem Ausgangsstoff Waldhackgut nicht nur Ökostrom, sondern auch Ökowärme sowie Biokohle produziert.“ Das Planungsbüro Riebenbauer konnte bereits Erfahrungen mit dem Pyrolyse-Verfahren bei anderen Projekten sammeln. Seit Anfang dieses Jahres profitiert man auch in der oberösterreichischen Gemeinde Perg von dieser Technologie: Die neue KWK-Anlage ist das größte Rückwärtskraftwerk, das bisher in Österreich in Betrieb genommen wurde.
Zwei getrennte Anlagen in Betrieb
NAWARO ENERGIE ist ein erfahrener Betreiber von fünf Biomassekraftwerken, seit Jänner 2023 zählt das Werk in Perg dazu. Mit der Inbetriebnahme der neuen Anlage mit Pyrolyse-Technik erhielt es einen enormen Innovationsschub. 2021 erfolgte der Baubeginn, im Januar 2023 wurden die beiden Holzvergasungsanlagen des Typs CW1800-500 von Syncraft in Betrieb genommen. Die zwei separaten Anlagen ermöglichen eine getrennte Revision, wobei das Blockheizkraftwerk (BHKW) immer von dem Gasmotor von einer Linie versorgt wird. Der Motor ist vom Typ 412 von Innio Jenbacher, der sich durch hohe Leistungsdichte und hervorragende Wirkungsgrade auszeichnet. Das Holzgaskraftwerk hat eine Gesamtleistung von 1.000 kW elektrischer und 1.540 kW thermischer Energie: Die Wärmeenergie dient zur Grundlastversorgung des Nahwärmenetzes, die elektrische Energie wird zur Versorgung von rund 2.000 Haushalten in das örtliche Stromnetzwerk eingespeist. Zur Steigerung der Gesamteffizienz wurde auf der Dachfläche eine PV-Anlage installiert, die eine jährliche Strommenge von rund 110 MWh liefert und der Teildeckung des Eigenstrombedarfs des Kraftwerkes dient.
Brennstoff aus der Region
Der Brennstoff stammt zu rund 90 Prozent von Lieferanten aus der Region. „Wir verwerten überwiegend Holz, das stofflich nicht genutzt wird, beispielsweise Astmaterial und Durchforstungsholz sowie Schadholz“, erläutert NAWARO-Geschäftsführer Hans-Christian Kirchmeier. „Durch die Verwertung von einem stofflich nicht nutzbaren Holzsortiment tragen wir zum Umbau in einen klimafitteren Wald bei.“ 35.000 srm Hackschnitzel werden jährlich verheizt und finden zwischenzeitlich Platz im 700 m² großen Hackgutlager, das sich in einer verzinkten Stahlkonstruktion befindet. Für die Planung zeichnet das Büro Riebenbauer verantwortlich, gefertigt wurde es vom oberösterreichischen Hallenbau-Spezialisten PEM. Die Dacheindeckung wurde dabei zusätzlich mit einer innenseitigen Antikondensatbeschichtung ausgeführt, um Schwitzwasser zu vermeiden. Das 300 m2 große Heizhaus wurde ebenfalls von PEM gefertigt.
Zufriedenes Resümee: Weitere Rückwärtskraftwerke in Planung
Bereits weniger als ein Jahr nach der Übergabe und Inbetriebnahme durch das Planungsbüro Riebenbauer zieht der Betreiber NAWARO eine mehr als positive Bilanz der bisherigen Ökoenergie- und Pflanzenkohle-Produktion: „Das Holzgaskraftwerk in Perg zeichnet sich in den ersten rund 7.000 Betriebsstunden durch eine äußerst hohe Verfügbarkeit von mehr als 97 Prozent und einen sehr stabilen Betrieb aus“, resümiert Christoph Mizelli, Prokurist bei NAWARO. So wurde während der Sommermonate das gesamte Fernwärmenetz von Perg ausschließlich und reibungslos vom Holzgaskraftwerk versorgt. „Die angegebenen Leistungsdaten und Verbräuche werden von uns ohne Probleme erreicht. Daher planen wir bereits weitere Projekte in Kooperation mit dem Anlagenbauer, um die Technologie weiter am Markt zu etablieren und die Heizwerke in Österreich zukunftsfit zu machen.“
Erschienen in zek KOMMUNAL Ausgabe 4/2023
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