Innovative Technologie ermöglicht mehr Leistung bei weniger Brennstoffeinsatz7 min read
Lesedauer: 5 MinutenPlatzmangel und eine erschwerte Brennstoffversorgung ließen die Möglichkeiten für eine Leisungssteigerung im Biomasseheizwerk Gerlos erheblich schrumpfen – ein weiterer Heizkessel oder eine Lagererweiterung mussten ausgeschlossen werden. Doch die Wintersportgemeinde machte aus der Not eine Tugend und setzte statt auf althergebrachte Mittel auf eine neuartige Lösung: Eine deutliche Erhöhung der Anlageneffizienz von über 25 Prozent konnte dank der Erweiterung der bestehenden Rauchgaskondensation und einer Absorptionswärmepumpe erzielt werden. Mithilfe dieser innovativen Technologie erzeugt man im Zillertaler Wintersportort mit weniger Brennstoffeinsatz die gleiche Wärmemenge, wodurch Ressourcen geschont und Kosten gespart werden, sowie der Weg für zusätzliche Netzausbauten geebnet wurde.
Sobald nach einem ausgiebigen Skitag alle Sportler gleichzeitig duschen möchten und die Heizungen aufgedreht werden, erreicht die Spitzenlast im Biomasseheizwerk Gerlos ihren Zenit – mit mehr als 4.000 Gästebetten wird in der Tiroler Gemeinde ordentlich Energie von der Anlage gefordert. Aber nicht nur, wenn die Skilifte des Zillertaler Wintersportorts schließen und die Hotelgäste in ihre Unterkünfte einkehren, sondern auch morgens kommt es zu Tagesspitzen, die dank Pufferspeicher abgefangen werden können. Doch das war den Betreibern der Ortswärme Gerlos – der Gemeinde, der Bioenergie Tirol sowie dem Installationsunternehmen Haas – zu wenig: Eine Effizienzsteigerung war gefragt, die dem Biomasseheizwerk auf bemerkenswerte Weise gelang. Zehn Jahre nach Betriebsbeginn erreichte man im Sommer 2023 das Ziel, dessen Vorgaben sich im ersten Moment auszuschließen scheinen: Weniger Brennstoff, aber mehr Anlageneffizienz und Erzeugerleistung.
Wärmepumpe reduziert Aufwand für Optimierung bei Bestandsanlagen
Gelungen ist das dank einer Lithiumbromid Absorptionswärmepumpe des Grazer Energiesystem-Spezialisten Stepsahead, der eine der ersten Anlagen dieser Art in Gerlos installierte. Wärmepumpen werden dafür eingesetzt, um Abwärme von einem niedrigen auf ein nutzbares Temperaturniveau anzuheben. Doch im Gegensatz zu den weit verbreiteten elektrisch betriebenen Kompressionswärmepumpen zeichnen sich Absorptionswärmepumpen dadurch aus, dass Wärme aus dem Biomassekessel direkt als Antriebsenergie verwendet wird. Dadurch wird es möglich, das Rauchgas der Biomassekessel auf tiefere Temperaturen als bisher abzukühlen sowie mehr Wärme zurückzugewinnen. „Der Antrieb der Wärmepumpe erfolgt hier durch die Wärme eines normalen Warmwasserkessels. Dies verringert den Aufwand für den Betreiber beträchtlich und ermöglicht somit auch kleineren Heizwerken diese Technologie zu nutzen“, erklärt Stepsahead Geschäftsführer Harald Blazek die Besonderheit der Anlage. Für die Ortswärme Gerlos wird erstmalig eine Absorptionswärmepumpe eingesetzt, die anstatt der bisher üblichen 150°C mit einer reduzierten Antriebstemperatur von 105°C auskommt. Da kein Umbau auf einen Heißwasserkessel nötig ist, reduziert sich der Aufwand für Adaptierungsmaßnahmen in bestehenden Heizwerken wesentlich. Mit den niedrigen Antriebstemperaturen ist zwar der Wärmerückgewinnungsanteil etwas geringer, jedoch hat diese innovative Neuentwicklung speziell im Bereich kleinerer Bestandsanlagen wie in Gerlos ein großes Potential. Höchste Priorität hatte beim Umbau des Biomasseheizwerks der nachhaltige Betrieb: Die eingesetzten Betriebsstoffe sind Wasser und Lithiumbromid-Salz. Die Wärmepumpe verwendet somit weder ozonschädigende Stoffe, noch Stoffe die zu einer Verstärkung des Treibhauseffekts führen würden. Aufgrund des geschlossenen Kreisprozesses in der Absorptionswärmepumpe gibt es keinen Betriebsmittelverbrauch. „Die Modifikationen sollen Ressourcen und Kosten sparen beziehungsweise die Anlagenemissionen reduzieren“, erläutert Klaus Flörl, Geschäftsführer der Ortswärme Gerlos. „Außerdem werden damit in Zukunft Kapazitäten für weitere AbnehmerInnen möglich.“ Davon gibt es aktuell 129, das Interesse an der nachhaltigen Wärmeversorgung steigt jedoch kontinuierlich.
Rauchgaskondensation erweitert
Damit die erhöhte Abwärmemenge aus dem Rauchgas entnommen werden kann, musste in Gerlos die Wärmetauscherfläche der bestehenden Rauchgaskondensation erweitert werden. Um den Bestand bestmöglich weiternutzen zu können, wurde ein ECO-Wärmetauscher des oberösterreichischen Unternehmens Heger Edelstahl nachgerüstet. Durch die Installation eines ECOs samt Gehäuse, Spüleinrichtung und moderner Mess- und Steuerungstechnik wurde die Leistung optimiert und für den Betrieb mit einer Absortionswärmepumpe vorbereitet. Heger Edelstahl hat dafür die erforderlichen Umbauarbeiten an der Rauchgasverrohrung sowie den Einbau einer neuen Entschwadungsklappe durchgeführt. Die strömungstechnischen Einbauten haben die Wärmeauskopplung um 420 kW auf einem höheren Temperaturniveau erhöht, während die Gesamtleistung des Kondensators in Kombination mit der Wärmepumpe auf 780 kW gesteigert wurde. Dadurch konnte der Ertrag der Wärmerückgewinnung auf stolze 26 Prozent der Kesselproduktion erhöht werden.
Modernisierung als Herausforderung
Umbauten bei bestehenden Anlagen wie in Gerlos sind immer eine komplexe Herausforderung und das beginnt bereits bei den engen Platzverhältnissen. Die erforderlichen Komponenten mussten in Einzelteilen in die Heizzentrale eingebracht und an Ort und Stelle zusammengebaut und ausgeschweißt werden. Heger Edelstahl ist eines der Unternehmen, die das Know-how und die Erfahrung mitbringen, solche Aufträge lösungsorientiert zu realisieren. „Von der Auslegung, zur Konstruktion über die Montage bis zur Systemabstimmung musste alles passen“, spricht Robert Pretzl, Geschäftsführer von Heger Edelstahl aus seiner Erfahrung. „Werden derartige Nachrüstungen oder Umbauarbeiten nicht sorgfältig geplant, dann können einem schnell die Kosten davonlaufen.“
Hydraulische Einbindung war knifflig
All die neuen technischen Komponenten in das seit zehn Jahren in Betrieb befindliche Heizwerk einzufügen, erforderte bereits in der Planungsphase Geschick und versierte Ingenieursleisung. Für Planer Ewald Jaunegg war das Projekt vor allem hinsichtlich der hydraulischen Einbindung der Wärmepumpe in die Bestandsanlage spannend. Eine 105 °C Anlage habe gegenüber einer 150 °C andere Herausforderungen, „nämlich höhere Volumenströme auf der Wärmepumpenantriebsseite. Vor allem darin liegt die planerische Innovation und erfordert Kreativität“, so Ewald Jaunegg, der für die Einreich- sowie die Detailplanungen verantwortlich zeichnete.
Not macht erfinderisch
Dass sich die Ortswärme die kaum lösbare Aufgabe gestellt hat, eine Leistungssteigerung bei geringerem Brennstoffeinsatz zu erzielen, ist den speziellen Umständen in Gerlos geschuldet: Aufgrund der alpinen Lage herrschen eingeschränkte Platzverhältnisse, wodurch weder ein zusätzlicher Kessel für die gewünschte höhere Leistung sorgen konnte, noch eine Lagererweiterung möglich war. Gleichzeitig ist im Winter die Brennstofflieferung wegen der schwierigen Zufahrt oft über Tage oder gar Wochen nicht möglich. Doch gerade im Winter verzeichnet die Ortswärme naturgemäß ein ausgeprägtes Lastprofil mit großen Lastspitzen. Neben der erschwerten Versorgung motivierte auch ein signifikanter Anstieg der Brennstoffkosten zu einer neuen technischen Lösung.
26 Prozent mehr Wärme
Nach der ersten Heizsaison ziehen die Betreiber eine mehr als erfreuliche Bilanz: Die neue Anlage lieferte über 25 Prozent – genau gesagt 26,2 Prozent – mehr Wärme aus der gleichen Brennstoffmenge. „Das heißt, wo wir bisher 1.260 Schüttraummeter Biomasse gebraucht haben, kommen wir jetzt mit 1.000 Schüttraummetern durch“, ist auch der Bürgermeister von Gerlos, Andreas Haas, von den Optimierungsmaßnahmen im Heizwerk begeistert. Die innovative Technologie ist ein Erfolg auf ganzer Linie: 26 Prozent weniger Verbrauch resultiert auch in 26 Prozent weniger Brennstofftransporten sowie 26 Prozent weniger Emissionen.
Erschienen in zek KOMMUNAL Ausgabe 2/2024
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