Kläranlage Wien: 2020 selbstversorgend4 min read
Lesedauer: 3 MinutenAm 13. April erfolgte die Grundsteinlegung für Wiens größtes Umweltprojekt: ebswien hauptkläranlage versorgt sich ab 2020 selbst mit erneuerbarer Energie.
Das gelingt durch die neue Schlammbehandlungsanlage, die aus dem Abfallprodukt Klärschlamm Strom und Wärme erzeugt.
Mehr als 6.000 Liter Abwasser gelangen in die Hauptkläranlage der Stadt Wien – pro Sekunde! Nach 20 Stunden fließt das gereinigte Abwasser in die Donau, ohne ihre Wasserqualität zu beeinflussen. Zur Abwasserreinigung auf diesem hohen Niveau benötigt die Hauptkläranlage knapp 1 Prozent des gesamten Wiener Strombedarfs. Seit Jahren steht das Thema Energie im Fokus der ebswien. So werden auf dem Anlagengelände Sonnenenergie, Wasser- und Windkraft genutzt und zahlreiche Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz umgesetzt. Der Strombedarf konnte dadurch bereits um rund 11 Prozent verringert beziehungsweise durch erneuerbare Energie ersetzt werden. Mit dem Projekt E_OS – Energie_Optimierung Schlammbehandlung wird nun ein weiterer Schritt Richtung ökologisches Energiemanagement getan: Durch die Nutzung des erneuerbaren Energieträgers Klärgas kann die gesamte für die Abwasserreinigung benötigte Energie ab 2020 zur Gänze selbst auf dem Anlagengelände erzeugt werden. „Wien setzt mit diesem Projekt neue Maßstäbe, die schon jetzt international Vorbildwirkung haben”, erklärte Bürgermeister Michael Häupl anlässlich der Grundsteinlegung am 13. April 2015 für das Projekt E_OS – Energie_Optimierung Schlammbehandlung auf dem Gelände der städtischen Hauptkläranlage in Wien-Simmering: „Der schonende Umgang mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen stellt für Städte des 21. Jahrhunderts eine der wesentlichen Herausforderungen dar”, so der Bürgermeister. „Die Hauptkläranlage wird mit E_OS zum Öko-Kraftwerk. Davon profitiert auch die Wiener Klimabilanz erheblich: Der Ausstoß von CO2-Äquivalenten sinkt ab 2020 um rund 40.000 Tonnen pro Jahr”, erläutert Umweltstadträtin Ulli Sima. Unter Berücksichtigung der zu erwartenden Indexsteigerungen werden sich die Gesamtkosten für das Projekt E_OS auf rund 250 Millionen Euro belaufen.
Ideen für mehr Energie
Schlammbehandlungsanlagen dienten bisher vor allem der Reduktion des Klärschlamms, der lediglich als „Abfallprodukt“ bei der Abwasserreinigung anfällt. „Die gewonnene Energie war dabei nur ein angenehmer Nebeneffekt”, erklärt ebswien-Generaldirektor Christian Gantner. Ganz anders bei dem Projekt E_OS: Von Anfang an stand die größtmögliche Energieausbeute im Vordergrund. So entwickelte die ebswien hauptkläranlage gemeinsam mit dem Institut für Gewässergüte der Technischen Universität Wien ein innovatives Verfahren: Bevor der Schlamm in die Faulbehälter gelangt, muss ihm Wasser entzogen werden. Je „dicker“ der Schlamm ist, desto besser für die Energiebilanz. Denn der Schlamm muss erwärmt werden, ein geringerer Wasseranteil verbessert somit die Energiebilanz. Zu „dick” darf der Schlamm jedoch nicht werden, da er sonst nicht mehr gepumpt werden könnte. „Umfangreiche Versuche haben unsere Annahmen eindrucksvoll bestätigt, wir können die neuen Faulbehälter mit einem doppelt so hohen Feststoffgehalt wie üblich betreiben”, erklärt der Generaldirektor von ebswien hauptkläranlage.
Funktionsweise der neuen Schlammbehandlungsanlage
Im Klärschlamm sind die bei der Abwasserreinigung entfernten Schmutzstoffe gebunden, pro Jahr fallen in Wien rund zwei Millionen Kubikmeter davon an. Das sichtbarste Zeichen der neuen Schlammbehandlungsanlage sind die sechs jeweils 30 Meter hohen Faulbehälter mit einem Gesamtvolumen von 75.000 Kubikmeter. Dorthin gelangt der „voreingedickte” und auf 38 Grad Celsius erwärmte Schlamm. Der Schlamm wurde auf rund 8 Prozent Trockensubstanz eingedickt, ein deutlich höherer Wert als bei anderen Kläranlagen. Unter Luftabschluss bauen Bakterien die organischen Inhaltsstoffe des Klärschlamms ab. Während des 25 Tage dauernden Faulungsprozesses – der anaeroben Stabilisierung – entsteht Klärgas, das zu zwei Drittel aus dem energiereichen Methan (CH4) besteht. Davon fallen 20 Millionen Kubikmeter pro Jahr an. Der ausgefaulte Schlamm wird aus den Faulbehältern abgezogen und verbrannt. Das Klärgas hingegen gelangt über Filteranlagen von den Gasbehältern in Blockheizkraftwerke, wo es in Gasmotoren verbrannt wird. Dabei entsteht nicht nur mechanische Energie, die mittels Generatoren in elektrischen Strom umgewandelt wird, sondern auch Wärme, die für Heizung und Warmwasserbereitung verwendet werden kann. Dadurch bringen es die Blockheizkraftwerke auf einen hohen Gesamtwirkungsgrad von mehr als 80 Prozent. Der „ausgefaulte” Schlamm wird aus dem Faulturm abgezogen und mittels einer Schneckenpresse entwässert. Das entzogene Wasser, das sogenannte Filtrat, weist einen hohen Ammoniumgehalt auf, der in der „Trübwasserbehandlung” in einem biologischen Verfahren so weit abgebaut wird, dass das aufbereitete Trübwasser dem Abwasserreinigungsprozess zugeführt werden kann.
Platz für den Klimaschutz
Seit 1980 stehen sie im Dauerbetrieb: Die Becken der Vorklärung und der 1. Biologischen Reinigungsstufe haben das Ende ihres Lebenszyklus erreicht. Um den nötigen Platz zu schaffen, müssen die bestehenden Becken weichen. Die nötige Reinvestition in diese „Ur”-Anlage bringt auch in diesem Teil der Hautkläranlage mehr Energieeffizienz, steigert die Ausfallssicherheit und senkt die Instandhaltungskosten. Das Volumen der Becken im 10 Hektar großen Baufeld wird im Rahmen von E_OS um 50 Prozent vergrößert. Da die Belebungs- und Zwischenklärbecken aber in Zukunft deutlich höher sein werden, kommen sie mit einer wesentlich kleineren Grundfläche aus. Der dadurch frei werdende Platz kann für die neue Schlammbehandlungsanlage – und damit für den Klimaschutz – genutzt werden.
Garantierte Abwasserreinigung während der Bauzeit
Nun, nach erfolgreich abgeschlossenem UVP-Verfahren und europaweitem Ausschreibungsverfahren, starten die Bauarbeiten. Die Umsetzung des Projektes E_OS stellt eine logistische Herausforderung dar. Sie erfolgt bei laufendem Betrieb der Hauptkläranlage. Die Qualität der Abwasserreinigung in Wien ist dabei zu jedem Zeitpunkt gesichert. Daraus ergibt sich die Bauzeit von mehr als fünf Jahren.
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