Trinkwassertechnik

Neuer Brunnen verdreifacht das Trinkwasservorkommen im Süden von Graz7 min read

9. Juni 2024, Lesedauer: 6 min

Neuer Brunnen verdreifacht das Trinkwasservorkommen im Süden von Graz7 min read

Lesedauer: 6 Minuten

Bereits seit Jahrzehnten gelang es dem Wasserverband Grazerfeld Südost nicht mehr mit der eigenen Brunnenanlage den kompletten Trinkwasserberdarf im Versorgungsgebiet abzudecken – überregionale Wassernetzwerke mussten diesen Mangel ausgleichen. Da sich der Speckgürtel der steirischen Landeshauptstadt weiterhin dynamisch entwickelt, war das aber keine Lösung für die Zukunft. Die Suche nach einer zusätzlichen Wasserressource verlief erfolgreich – das Trinkwasservorkommen wird mit der neuen Brunnenanlage nun sogar verdreifacht. Nach turbulenten Witterungsverhältnissen mit 100-jährigen Starkregenereignissen während des Transportleitungsbaus können die 24.000 Abnehmer aus der Region bald qualitativ hochwertiges Trinkwasser aus der neuen Quelle beziehen.

Wasserverband Grazerfeld Südost
Die Grabungsarbeiten erfolgten leider nicht nur bei strahlendem Sonnenschein: Der letzte Sommer war geprägt von Starkregenereignissen.
© Wasserverband Grazerfeld Südost

Binnen 24 Stunden entstand ein Gesamtschaden in der Landwirtschaft der Steiermark von 4 Millionen Euro, verzeichnet die Österreichische Hagelversicherung: Hagelkörner, so groß wie Zwetschgen, und bis zu 80 Liter pro Quadratmeter Niederschlag verwüsteten innerhalb von nur 90 Minuten 3.300 Hektar Fläche in der Südoststeiermark sowie in Graz-Umgebung. Keine gute Zeit also für Bauprojekte, doch genau in diesen regenreichen Frühsommer fiel die erste Grabungsphase für die Transportleitung der neuen Brunnenanlage des Wasserverbands Grazerfeld Südost. Drei Mal wurde dabei die gesamte Künette geflutet und musste später teilsaniert werden. Ein beträchtlicher Aufwand für ein Bauprojekt, das bis zu diesem Zeitpunkt völlig reibungslos verlief.

 

Zukuntsfitte Wasserversorgung für den Grazer Speckgürtel
Ein steter Bevölkerungszuwachs im Speckgürtel von Graz machte die Suche nach einer neuen Trinkwasserquelle für das Versorgungsgebiet zwingend notwendig. Der Wasserverband Grazerfeld Südost verfügt seit Bestehen des Verbandes vor 50 Jahren eine Brunnenanlage in Gössendorf mit einer Konsensmenge von maximal 32 l/s, schwankend je nach Witterungsverhältnissen. Passend für die damaligen demografischen Verhältnisse, jedoch: „Das Verbandgebiet hat sich entwickelt: Viele Betriebe und Gewerbe haben sich hier sesshaft gemacht, neue Wohnsiedlungen wurden gebaut – und es kommen auch weiterhin jedes Jahr zahlreiche Neuanschlüsse an das Trinkwassernetz hinzu. Der Wasserbedarf ist dementsprechend gestiegen“, berichtet Johann Lendl, Obmann des Wasserverbands Grazerfeld Südost. „Wir konnten mit der eigenen Brunnenanlage den Bedarf der 24.000 Abnehmer bei weitem nicht mehr abdecken.“ Zwar wurde die Wasserversorgung bis jetzt über die Beteiligung von überregionalen Wassernetzwerken sichergestellt, doch diese ­Lösung erweist sich bei dem prognostizierten weiteren Bevölkerungswachstum im Ballungsraum Graz als nicht zukunftsfit. So ­begab sich der Wasserverband Grazerfeld Südost auf die Suche nach neuen Wasserressourcen.

Wasserverband Grazerfeld Südost
Spatenstich für eines der größten Projekte seit Gründung des Wasserverbandes Grazerfeld Südost. V.l.n.r.: Christian Kober (Vertreter Fa. Porr, ausführende Firma), Martin Schwab (Detailplanung + Ausschreibung Fa. TDC SKD-ZT GmbH), Hans Peter Neubauer (Bauaufsicht Fa. Infratechno), Thomas Hofer (Wasserverband), Obmann Johann Lendl (Wasserverband), GF Ing. Dietmar Luttenberger (Wasserverband), Rudolf Stelzl (TRM) und Christian Kirchsteiger (Vertreter Fa. Porr, ausführende Firma).
© Wasserverband Grazerfeld Südost

Suche nach geeignetem Grundwasser
Mithilfe des Grundwassermodells des Hydrografischen Dienst Steiermark sowie den Unterlagen einer Forschungseinrichtung konnte man mehrere Bereiche als potenzielle Standorte klassifizieren. Sonden im Untergrund, die flächendeckend in der Steiermark verteilt sind, lieferten Daten zum Grundwasservorkommen und den geologischen Verhältnissen. Die Erforschung des vielversprechendsten Standorts wurde weiterverfolgt: „Theorie ist das eine, die Realität das andere – deswegen wurde ein Pumpversuch durchgeführt“, erläutert Dietmar Luttenberger, Geschäftsführer der Wasserverbände Grazerfeld Südost und Umland Graz die weitere Vorgehensweise. „So ein Pumpversuch ist immer ein hohes Risiko: Bis dieser durchgeführt wird, müssen bereits die betreffenden Grundstücke gesichert und die technische Ausrüstung für die Bohrung in Betrieb genommen werden. Da ist Nervenkitzel dabei, bis man schwarz auf weiß hat, dass sich der Standort eignet.“ Schließlich gab es die reelle Gefahr, bei einem negativen Ergebnis die falsche Entscheidung getroffen zu haben – die hohe Investition und der große Aufwand wären umsonst gewesen. Doch da es sich am Standort in der Thondorfer Au bei Gössendorf laut Daten um das größte Grundwasservorkommen südlich von Graz handelt, war man zwar angespannt, aber zuversichtlich. Das Ergebnis des Pumpversuchs war überaus erfreulich: Mit einer Wassermenge von 60 l/s hat sich das nun verfügbare Wasserangebot des Wasserverbands Grazerfeld Südost sogar verdreifacht – weit mehr als erhofft. Mit dieser Ergiebigkeit und der hohen Wasserqualität wurden die wichtigsten Kriterien an die neue Wasserressource zur Gänze erfüllt. Die relativ geringe Distanz des Standorts bis zum Wasserverband hatte außerdem Priorität. Die Erleichterung über den positiven Ausgang des Pumpversuchs war groß, schließlich stellten die Vorbereitungen bis dahin einen großen Kraftakt dar: Neben dem Kauf von Grundstücken mussten mit den umliegenden Grund­stücks­eigentümern einvernehmliche Lösungen erzielt werden, denn aufgrund der vorgeschriebenen Schutzgebietflächen gibt es Beschränkungen für die Landwirtschaft. „Für uns war die Grundstücksicherung sowie mit der umliegenden Landwirtschaft einen Konsens über die Schutzgebiete festzulegen ein großer Meilenstein – und das ohne jahrelangen Rechtsstreit“, zeigt sich der Geschäftsführer des Wasserverbandes auch heute noch ­erleichtert. Nach der wasserrechtlichen Bewilligung erfolgten letztes Jahr der Bau der Brunnenanlage sowie die Verlegung einer 6 km langen Transportleitung.

Wasserverband Grazerfeld Südost
Der Wasserverband entschied sich bei der Transportleitung für duktiles Gussrohr von TRM, da dieses eine Lebensdauer von über 100 Jahren verspricht.
© Wasserverband Grazerfeld Südost

Transportleitung für über 100 Jahre
Bei der Transportleitung entschied man sich für die duktilen Gussrohre von TRM Tiroler Rohre. Mit den Rohren des Herstellers hatte man bereits gute Erfahrungen gesammelt, beim Austausch der alten PVC-Rohre im 320 km großen Versorgungsnetz kommen diese teilweise zum Einsatz. Da der Wasserverband bei der 6 km langen Transportleitung besonders auf Langlebigkeit bedacht war, kamen für ihn nur die Rohre von TRM in Frage. „Es handelt sich um eine reine Transportleitung in DN400, die überwiegend im Landesstraßenbereich verlegt wird, daher war für uns klar, dass wir ein robustes Rohr benötigen, das mindestens für die nächsten 100 Jahre eine nachhaltige Lösung ist“, so Obmann Johann Lendl. Rohrsysteme aus duktilem Gusseisen können mehr als 100 Jahre lang problemlos ihren Dienst leisten und haben den Vorteil, dass sie beliebig oft wiederverwertet werden können und damit zum Schutz der Umwelt beitragen. Ganz nach dem Motto: es war ein Rohr, ein Formstück oder eine Armatur aus duktilem Gusseisen und wird wieder ein Rohr, ein Formstück oder eine Armatur aus duktilem Gusseisen werden. Rohre und Formstücke bestehen nicht aus begrenzt verfügbaren fossilen Rohstoffen, sondern aus Stahlschrott und Gussbruch, den TRM aus vorwiegend regionalen Stoffkreisläufen beziehen. CO2-Emissionen werden bereits bei der Produktion kontinuierlich reduziert und ‚Abfallprodukte‘ dem Produktkreislauf wieder zugeführt. Auch dieser Nachhaltigkeitsaspekt hat beim Wasserverband Grazerfeld Südost letztlich zur Wahl von Gussrohren geführt – die Alternative aus Kunststoff ist schließlich kein Recyclingprodukt. Der Wasserverbands-Geschäftsführer lobt außerdem die tadellose Zusammenarbeit von der Rohrlieferung über die Koordination auf der Baustelle bis hin zum einwandfreien Materialzustand der zugestellten Ware. Denn beim Transport könnte die Oberfläche der Rohre Schaden nehmen, was zu Korrosion führen würde – nach einer Prüfung durch den Wasserverband musste auch hier nichts beanstandet werden.

Wasserverband Grazerfeld Südost
Nach den Starkregenereignissen musste die Künette drei Mal teilweise saniert werden.
© Wasserverband Grazerfeld Südost

Herausfordernde Starkregenereignisse
Die Erschließung des neuen Wasservorkommens in der Thondorfer Au verlief problemlos bis zum Juni 2023, in dem es zu 100-jährigen Regenereignissen gekommen ist. Die überflutete Künette bedeutete nicht nur einen Mehraufwand wegen der jedes Mal notwendigen Teilsanierung, die größte Sorge von Dietmar Luttenberger galt der Sauberkeit der Transportleitung: „Die schlimmste Angst hatte ich als Bauherr davor, dass aufgrund der Stark­regen­ereignisse etwas ins Rohr geschwemmt wird.“ Das sei die größte Gefahr beim Leitungsbau: „Wenn das Rohrendstück beim Verlassen der Baustelle nicht 100 prozentig dicht verschlossen wurde und dann kommt es zu solch einem Starkregenereignis. Sobald Oberflächenwasser ins Rohr gelangt und dieses über mehrere Kilometer mit dreckigem Wasser angefülllt wird – dieses Rohr kriegt man nicht mehr rein“, berichtet der Geschäftsführer des Wasserverbands Grazerfeld Südost von seiner schlimmsten Befürchtung. Dank gewissenhafter Vorkehrmaßnahmen konnte dieses Worst-Case-­Szenario glücklicherweise abgewendet werden. Die Leitung konnte ohne Beanstandung sofort in Betrieb genommen werden. „Die Dichtheit und die Hygiene: Alle Untersuchungen haben von Anhieb an gepasst – das war sensationell.“ Seit Ende April ist die neue Brunnenanlage und die Transportleitung in Betrieb und wird für viele Generationen die Gemeinden Hart bei Graz, Raaba­-Grambach, Gössendorf, Hausmannstätten, Fernitz-Mellach und Vasoldsberg mit hochwertigem Trinkwasser versorgen.

Erschienen in zek KOMMUNAL Ausgabe 1/2024

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