Wanderparadies wird zukunftsfit: Kolm Saigurn erhält Kanalanschluss9 min read
Lesedauer: 6 MinutenKolm Saigurn im Talschluss von Rauris zählt durch seine idyllische Lage und seine herrliche Aussicht auf die gewaltigen 3.000er Sonnblick, Schareck und Hocharn zu einem der landschaftlichen Höhepunkte im Nationalpark Hohe Tauern – davon zeugt nicht zuletzt das steigende Besucheraufkommen. Um mit der touristischen Entwicklung Schritt zu halten, muss die dazugehörige Infrastruktur ausgebaut werden: Mehr sanitäre Anlagen bedeuten auch mehr Abwasser. Die dezentrale Kläranlage hatte jedoch ihre Belastungsgrenze erreicht. Um eine nachhaltige und zukunftssichere Abwasserentsorgung sicherstellen zu können, baut man derzeit an einem 13,1 km langen Ableitungskanal, der die bewirtschafteten Berghütten auf über 2.000 m Seehöhe an das Abwasserleitungsnetz in Rauris anbindet.
Manchmal können Verspätungen auch etwas Positives haben. Als Winfried Kunrath im August 2019 vergeblich auf seine Wandergruppe in Kolm Saigurn im Rauriser Tal wartete, ärgerte er sich nicht weiter über die Verzögerung, sondern nutzte die Zeit äußerst produktiv. Der Hüttenwart des Österreichischen Naturschutzjugend-Hauses Astenschmiede kehrte zum Warten in die Hütte ein und sinnierte in seiner Doppelfunktion als Pächter sowie als Mitarbeiter des Landes Salzburg in der Abteilung Wasser/Förderung Siedlungswasserwirtschaft über die Situation der Abwasserreinigung im Talschluss. Dieser Teil des Nationalparks Hohe Tauern ist über eine Mautstraße erreichbar, Wanderer nutzen den letztmöglichen Parkplatz Lenzanger als Ausgangspunkt für ihre Bergtouren auf den Sonnblick. Mit der Anzahl der Bergsteiger ist auch die touristische Infrastruktur gewachsen und der Bedarf an sanitären Anlagen sowie die Menge des zu reinigenden Abwassers gestiegen. Die Prognosen von 2001, als man eine dezentrale Kläranlage für die Aufbereitung des Abwassers der Berg- und Schutzhütten in Betrieb nahm, stimmen mit der heutigen touristischen Entwicklung nicht überein: So sorgen bereits sonnige Wanderwochenenden für Belastungsspitzen, die die Anlage überlasten. Während Winfried Kunrath über die unzufriedenstellenden Umstände nachdachte, gesellte sich der Obmann der Abwassergenossenschaft Kolm Saigurn dazu. Bald thematisierten sie in ihrem Gespräch die Auslastung der bestehenden dezentralen Kläranlage in Kolm Saigurn. „Da hatte ich die Idee mit der Kanalerweiterung, die in das Rauriser Abwasserleitungsnetz eingebunden werden sollte“, erinnert sich Winfried Kunrath. Kurz darauf schlossen sich auch der Rauriser Bürgermeister Peter Loitfellner und ein weiterer Hüttenwart des Tals der Diskussion an. Die Wartezeit auf die Wandergenossen des Hüttenwarts hatte sich schlussendlich als sehr vorteilhaft entpuppt: „Diese Stunde war die Geburtsstunde für das Projekt: Während ich gewartet habe, habe ich alle maßgeblichen Leute getroffen.“
Der Kanal als Kostenfrage
Zwar war die gesamte Diskussionsrunde von der Idee angetan, doch die zu erwartenden Kosten gaben zu Bedenken – die Gemeinde hat keine großen Budgetfreiheiten. „Mein Vorschlag war es, eine Studie zu vergeben, Großteils wurde diese vom Land Salzburg finanziert“, berichtet Winfried Kunrath, der als Mitarbeiter beim Land Salzburg Abteilung Wasser – Förderstelle für Siedlungswasserwirtschaft diese in die Wege leitete. In dieser Funktion war er „bei der Entstehung der Rauriser Unterwelt dabei“, wie er scherzhaft anmerkt und so konnte er die örtlichen Gegebenheiten sehr gut einschätzen. Neben der überlasteten Kläranlage in Kolm Saigurn sprachen noch Parkflächen für 400 Autos mit fehlenden sanitären Einrichtungen sowie die Hütten und touristischen Objekte mit eigener Kleinkläranlage – die durch die Einbindung in das Kanalnetz keine Wiederverleihung beantragen bzw. in die Anlagen investieren müssten – für die Kanalerweiterung. Das Ergebnis der Studie übertraf dann aber selbst die Einschätzung des Fachexperten und war klar zugunsten des Ableitungskanals. Zwar ist die Investition eines Kanals höher als die Errichtung von Kleinkläranlagen, hochgerechnet auf 50 Jahre aber ist der Kanal klar von Vorteil – die Betriebskosten fallen vielfach geringer aus. Nach dieser guten Nachricht konnte mit dem Bauvorhaben jedoch nicht sofort angefangen werden: Corona verzögerte den Baustart bis letztes Jahr.
Gewählte Trassenvariante war goldrichtig
Rund vier Millionen Euro kostet die Errichtung des Abwasserkanals (Haupt- und Nebenstränge) von Kolm Saigurn zur kommunalen Kläranlage Rauris. 37 Prozent davon fördert das Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, den Rest finanziert die Gemeinde auch mit Beiträgen der einzelnen Interessenten. Für Peter Loitfellner, Bürgermeister der Marktgemeinde Rauris, ist die Investition ein Kraftakt, „der für die Zukunft dieser touristisch so wertvollen Region aber immens wichtig ist.“ Der Kanalbau in Kolm Saigurn mit angeschlossenen Gebäuden bis zum Niedersachenhaus, das auf 2.471 m Seehöhe liegt, stellt eine technische Herausforderung dar. Bei der Planung vertraute man auf die Expertise von e2 engineering. Die ausführenden Bauarbeiten übernehmen die beiden Pinzgauer Unternehmen HV Bau aus Bramberg und Swietelsky aus Zell am See als ARGE. Der Projektleiter bei e2 engineering Dipl.-Ing. Hans Schmeißl arbeitete den kürzestmöglichen Leitungsverlauf aus: Der hatte zwar im Gegensatz zu einer Trassenführung ausschließlich entlang der Straße den Nachteil über mehrere Almwiesen in Privatbesitz zu verlaufen, doch die Gespräche mit den Eigentümern verliefen konstruktiv und einvernehmlich. Dafür konnte man sich einiges an Asphaltierungsarbeiten sowie etliche Meter Rohrmaterial sparen, das notwendig gewesen wäre, wenn die Trasse vollständig entlang der Serpentinenstraße geführt hätte. „Es war außerdem eine Variante entlang der Rauriser Ache im Gespräch – wir sind heute froh, diese nicht gewählt zu haben“, erzählt Hans Schmeißl in Hinblick auf das verheerende Hochwasser im August 2023. „Die Rohre wären mit Sicherheit von der Flut weggespült worden.“ Das Hochwasser hat bestätigt, dass die richtige Option gewählt wurde. Denn dort, wo die Straße entlangführt, fließt heute teilweise der Bach. „Die Straße ist zum Bachbett geworden. Es hat ganze Böschungen runtergerissen, Brücken wurden beschädigt“, beschreibt Winfried Kunrath die dramatische Lage im heurigen Sommer. Aufgrund der Situation sind die Bauarbeiten zum Stillstand gekommen, die Aufräumarbeiten haben Vorrang. Ein Drittel der 13,1 km langen Strecke wurde bereits verlegt, der Rest wird im Jahr 2024 verbaut. Dass die bereits verlegte Leitung der Naturgewalt trotzen konnte, hatte sicherlich auch mit dem gewählten Rohrmaterial zu tun. Hier hat man sich auf die duktilen Gussrohre vom österreichischen Branchenprimus Tiroler Rohre (TRM) verlassen. Das Ausmaß des Hochwassers konnte keiner erahnen, doch auch die Gegebenheiten vor Ort sprachen für die Wahl dieser Rohre: „Die schwierigen Geländeverhältnisse mit starker Steigung sowie die Nähe zum Bach waren alles Gründe, warum wir uns für TRM entschieden haben – es ist das hochwertigste Rohrmaterial am Markt“, ist Hans Schmeißl von der Qualität überzeugt. „Alternativ hätte man günstigere Kunststoffrohre verwenden können, aber langfristig – und die Hochwasser-Situation gibt uns Recht – sind duktile Gussrohre eine gute Investition. Denn ein Kunststoffrohr hält so eine Belastung nicht aus. Bei Gussrohr haben wir schon erlebt, dass die Straße weggeschwemmt wurde, das darunterliegende Rohr aber wie eine Wäscheleine gespannt in der Luft hing und nicht abgerissen ist.“
Spezielles Bettungsmaterial obsolet
Um in dem Gefälle gegen mögliche Erdbewegungen gewappnet zu sein, verlegte man die Rohre in den Größen DN200, DN150 und DN100 in schub- und zuggesicherter Ausführung. „Die schub- und zugsichere VRS-T-Verbindung ist die Stärke unseres Unternehmens, ein Teil kommt in ZMU-Zementmörtelumhüllung, bei der kein zusätzliches Bettungsmaterial hinzugeführt werden muss“, erläutert Dr. Igor Roblek, Vertriebsmanager für die Bundesländer Salzburg und Kärnten bei TRM. Bei Gussrohren hat man den Vorteil, dass das gesiebte Aushubmaterial als Bettung dienen kann. „Es ist zur Gänze wiederverwendet worden“, erläutert der Projektleiter Hans Schmeißl. „Bei anderen Rohrtypen ist ein Materialaustausch nötig, das Aushubmaterial muss in einer Deponie fachgerecht entsorgt und Bettungsmaterial als definierter Kies in einer gewissen Korngröße wieder hertransportiert werden.“ Ein Großteil der Preisdifferenz Gussrohr zu Kunststoffrohr wiege sich somit wieder auf – insbesondere wenn der Transport wie im Rauriser Tal durch teils unwegsames Gelände erfolgt.
Lange Fließdauer verteilt die Tagesspitzen
Durch den Anschluss der bewirtschafteten Hütten sowie der sanitären Anlagen der Parkplätze erhöht sich die Menge des zu reinigenden Abwassers für die Kläranlage in Rauris um 1.400 Einwohnerwerte (EW). Diese Erhöhung ist durch die zeitliche Verschiebung des abfließenden Abwassers möglich – schließlich müssen vom letzten an den Kanal angeschlossenen Objekt bis zur Kläranlage 25 km zurückgelegt werden, was eine entsprechende Fließdauer mit sich bringt. „Es kommen zwar 1.400 EW hinzu, aber durch die zeitliche Verlagerung verändert sich die Tagesspitze nicht, es verteilt sich über den Tagesverlauf“, erklärt Fachexperte Winfried Kunrath. „Ein hohes Lob an die Kläranlagen-Spezialisten vom Land Salzburg, die nicht nur die Situation am Papier betrachten, sondern sich intensiv mit der Ist-Situation beschäftigen. Natürlich gibt es klare Regelblätter wie eine Kläranlage zu funktionieren hat, aber teilweise weicht eben die Realität von diesen ab.“
Fit für die touristische Zukunft
Der neue Kanal zur Kläranlage in Rauris wird nach seiner Fertigstellung eine nachhaltige und zukunftssichere Abwasserentsorgung sicherstellen. „Der Talschluss ist Ausgangspunkt für unzählige einzigartige Touren in unsere herrliche alpine Landschaft, bei den Gästen sehr beliebt und wird nun fit für die touristische Zukunft gemacht“, ist sich Bürgermeister Peter Loitfellner sicher.
Erschienen in zek KOMMUNAL Ausgabe 4/2023
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