Wärme- & Energieversorgung

Die Biomasseanlage in Markt Hartmannsdorf: Rundumerneuerung nach 30 Jahren5 min read

5. August 2019, Lesedauer: 3 min

Die Biomasseanlage in Markt Hartmannsdorf: Rundumerneuerung nach 30 Jahren5 min read

Lesedauer: 3 Minuten

Nach beinahe 30 Jahren im Einsatz gönnte man der Biomasseanlage in Markt Hartmannsdorf eine Generalüberholung. Die Rundumerneuerung tat dem Heizwerk gut.

Die neue Technik samt vertikal verbauten Heizkesseln machen es noch effizienter und damit noch ökologischer – ein Aspekt, der eine der wohl umweltbewusstesten Gemeinden Österreichs besonders freut.

Die steirische Gemeinde Markt Hartmannsdorf setzt bereits seit langem auf erneuerbare Energie – eines der ersten großen Heizwerke in der Steiermark, befeuert mit Hackgut aus heimischer Produktion, sorgt für Nahwärme. Das Ortszentrum wird bereits seit 1988 mit Bioenergie statt mit fossiler Energie versorgt. Im Zuge des Gemeindeprojekts für eine energiebewusste Ortsentwicklung wurden mehrere Maßnahmen gesetzt. Einerseits wurde die Nutzung heimischer erneuerbarer Energien gefördert und forciert und damit die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern reduziert. Andererseits wurden Energieeinsparungspotentiale an privaten und öffentlichen Gebäuden realisiert. Es folgten verstärkte Förderungsaktivitäten seitens der Gemeinde Markt Hartmannsdorf in den Bereichen Solar-, Photovoltaik- und Holzfeuerungsanlagen, sowie die Einführung von ­Monitoring des Energieverbrauches bei öffentlichen und privaten Gebäuden. Weitere umwelttechnische Investitionen der Gemeinde waren unter anderem die Errichtung mehrerer Großsolaranlagen, die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude sowie die Optimierung und Monitoring von Straßenbeleuchtungen – mit dem Projekt war Markt Hartmannsdorf eine von elf Pilotgemeinden. Eine Vorreiterrolle übernahm der steirische Ort auch in Sachen Elektromobiliät: Bereits seit 2007 steht eine „Öffentliche Zapfstelle für Elektroautos“ zur Verfügung. Bei all dem Engagement in Sachen Klimaschutz wundert es natürlich nicht, dass der eingangs erwähnten Biomasseanlage nach rund 30-jähriger Laufzeit eine Auffrischungskur verpasst wurde.

Vertikal konstruierte Brennkammer
Um die zukünftige Wärmeversorgung der an das Fernwärmenetz angeschlossenen Objekte sicherzustellen und über zukünftige An­schluss­mög­lichkeit von Objekten in Ortsrandlange zu verfügen, wurde die gesamte Kesselanlage erneuert. Eingebaut wurden zwei neue Biomassekessel mit einer jeweiligen Nennwärmeleistung von 875 kW. Die thermische Nutzung von verschiedenen, ständig wechselnden Brennstoffqualitäten und -größen mit einem Kessel unter 1.000 kW war eine der Anforderungen des Kunden. Des Weiteren sollten Reinigung und Wartung des Kessels einfach und „bequem“ durchgeführt ­werden können, sowie der Verbau von Verschleißteilen gering gehalten werden. Zudem muss die Anlage, sowohl im Volllast- als auch im Teillastbetrieb öko­nomisch und ökologisch und auf geringster Stellfläche arbeiten. Um all diese Kundenwünsche zu erfüllen, entwickelte die Firma Binder – ein 100%-iges Tochterunternehmen der HERZ-Gruppe – ein komplett neuartiges Brennsystem für Kessel in diesem Leistungsbereich. Im Gegensatz zu konventionellen Anlagen wurde die Brennkammer „stehend“, also vertikal, konstruiert und gebaut. Dabei wurde auf den Einbau des Gewölbes verzichtet. Das hat den Vorteil, dass es zu keinen Asche- und Staubablagerungen, sowie zu keinem Verschleiß kommt. Um dennoch eine optimale Verbrennung garantieren zu können, wurde eine Rauchgasrezirkulation über die Primärluft eingebaut. Auch wechselnde Brennstoffqualitäten und -größen sind kein Problem. Der Materialeinschub in die Brennkammer erfolgt hydraulisch. Durch diese brennstoffunabhängigen Lösungen kann sehr feines bis sehr grobes sowie sehr trockenes bis erntefrisches Hackgut, effizient genutzt werden.

Geringe Stellfläche erforderlich
Ein weiterer Vorteil einer stehenden Brennkammer ist, dass Wartung und Reinigung aufgrund der Höhe einfacher, bequemer und in weiterer Folge schneller durchgeführt werden können. Die Stellfläche wird dadurch auch minimiert. Ein wichtiger Aspekt, da die für den Umbau nutzbare Fläche im Heizwerk in Markt Hartmannsdorf begrenzt war. „Die Größe der Baulichkeit war grundsätzlich vorgegeben. Die Erschwernis lag vor allem darin, die neue Kesselanlage mit entsprechender Technik in der Baulichkeit unterzubringen“, berichtet Ing. Leo Riebenbauer, der für die Planung verantwortlich zeichnet. Knapp bemessen war nicht nur der verfügbare Raum: Dadurch, dass die Marktgemeinde die Planung bereits im Jahr 2016 gestartet hat, war die größte Herausforderung, den Bauzeitplan einzuhalten. Für den Abriss der alten Anlage und die Errichtung der neuen Anlage inklusive Heizhaus stand nur ein Zeitfenster von knapp vier Monaten zur Verfügung.

Technische Neuerungen für mehr Effizienz
Die Wärmetauscher werden über eine so­genannte HV-Reinigung („High Velocity“- oder auch Hochgeschwindigkeits-Abreinigung) sauber gehalten beziehungsweise automatisch gereinigt. Bei einem Reinigungsvorgang fährt das Gebläse mit erhöhter Drehzahl und entfernt somit über eine Bypassleitung die anfallenden Ablagerungen aus dem Wärmetauscher. Das Gebläse benötigt aufgrund des geringeren Druckverlustes um ca. 20 Prozent weniger Strom als bei herkömmlichen Systemen. Bei Anlagen dieser Größe und vor allem bei unterschiedlichen Brennstoffen ist es oft problematisch, wenn diese im Teillastmodus betrieben werden. Die im Projekt verbauten Elektrofilter benötigten nämlich eine Mindest-Rauchgas-Eintritts­temperatur von 140°C. Diese wird bei herkömmlichen Anlagen im Teillastbetrieb oft nicht erreicht oder sogar unterschritten. Der Wärmetauscher von Binder wurde deshalb speziell nach dieser Anforderung gebaut. Es wurde ein ausgeklügeltes Klappen- und Bypasssystem installiert. Damit kann ein Teil des Wärmetauschers weggeschalten be­zieh­ungsweise umfahren werden, um die er­forderlichen Abgastemperaturen für die Filtersysteme zu erreichen. Weiteres Energie-i einsparpotenzial konnte durch die Erneuerung der gesamten Regeltechnik erzielt werden. Ebenfalls konnte durch den Einsatz eines Pufferspeichers die Effizienz gesteigert werden. Anders als in vielen anderen Biomasseanlagen wurde hier auf eine technische Unterscheidung von Sommer- und Winterbetrieb verzichtet. Denn einen Sommerbetrieb gibt es im Heizwerk von Markt Hartmannsdorf nicht, da – typisch für die umweltbewusste Gemeinde – im Ortsgebiet die Nutzung von Solarenergie für die Warmwasserbereitung überdurchschnittlich stark verbreitet ist.
Nach diesem Rundumerneuerungsprogramm ist die Biomasseanlage von Markt Hartmannsdorf wieder fit um über die nächsten Jahrzehnte den Gemeindebewohnern umweltfreundliche Wärme bereitzustellen.

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