Wärme- & Energieversorgung

Nach 20 Jahren Betrieb: Rundumerneuerung für das Heizwerk der Nahwärme Hinterstoder6 min read

27. Feber 2020, Lesedauer: 4 min

Nach 20 Jahren Betrieb: Rundumerneuerung für das Heizwerk der Nahwärme Hinterstoder6 min read

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Von wegen Wonnemonat Mai: Nicht nur in der oberösterreichischen Gemeinde Hinterstoder mischte sich der Winter weit in den Frühling 2019 noch ins Wettergeschehen ein.

Doch auf die späten Tiefsttemperaturen konnte man dank des modularen Heiz­systems in der hiesigen Nahwärme rasch reagieren. Besonders effektiv funktioniert die Wärmeversorgung des Ortes seit Beginn der letzten Heizsaison, als die wichtigsten Bauphasen der Heizwerk-Rundumerneuerung abgeschlossen waren. Nach zwanzig Jahren Betrieb gönnte man der Biomasseanlage etliche technische Neuerungen. Ergebnis ist eine um rund zehn Prozent effizientere Wärmeproduktion.

Nur knapp über der Null-Grad-Marke bewegte sich im als doch so wonnig bekannten Monat Mai das Thermometer im oberösterreichischen Hinterstoder. Damit war die Gemeinde nicht allein: In ganz Österreich, der Schweiz und Süddeutschland war es so kalt, dass teilweise Schnee fiel. Der Mai jagte einem Kälterekord nach und ist mit ca. drei Grad unter dem Durchschnittstemperaturen der zweitkälteste Mai seit 1991. Als ideal für solch überraschend späte Temperatureinbrüche erweist sich die modulare Heizkessel-Lösung der Nahwärme Hinterstoder. Das zwanzig Jahre alte Biomasseheizwerk wurde vergangenes Jahr einer Rundumerneuerung unterzogen und weist neben einer höheren Leistung einige technische Raffinessen auf, die den Betrieb effizienter und einfacher machen. Unter anderem auch eine Heizkessel-Lösung, die die Betreiber auf alle Eventualitäten und Wetterkapriolen schnell reagieren lässt. Für die Beheizung stehen drei Kessel mit Leistungen von 150 kW (Fröling), 400 kW und 1.100 kW (beide Urbas) zur Verfügung, die je nach Bedarf kombiniert werden können. „Das spannende bei einem Heizwerk ist, dass man sich für rund zehn Tage Spitzenauslastung im Jahr rüsten muss. Darum haben wir die geforderte Maximalleistung auf mehrere Anlagenkomponenten verteilt“, erklärt der Heizwerkbetreiber Roland Ramsebner.     

Unabhängigkeit vom Holzmarkt    
Entstanden ist das Heizwerk vor zwanzig Jahren auf Betreiben von 23 Land- und Forstwirte aufgrund des schwankenden Absatzes  und Preises am Holzmarkt: Die Forstwirte wollten sich von der Abhängigkeit von wenigen großen Abnehmern loslösen und nutzen seither ihr Holz lieber selbst. So kommt es auch, dass 90 Prozent des Hackguts aus einem Umkreis von nur 10 km stammt. Die allgemeine Entwicklung hin zu Billigholz wird von den Betreibern kritisch gesehen. Durch europaweite Wetterereignisse führte Windbruch und Schneedruck zu großen Mengen Schadholz, das zu Billigpreisen am Markt angeboten und hunderte Kilometer durch Europa vom Forst zu ihrem Bestimmungsort transportiert wird. Die Nahwärme Hinterstoder setzte von Beginn an auf regionale Wertschöpfung und ist auch überzeugt, so den Betrieb ähnlich kosten­effizient zu gestalten wie mit billigem Hackgut – denn durch die hohe Qualität der bezogenen Hackschnitzel sind weniger Schüttraum­meter für eine gleich große Leistungsausbeute notwendig. „Es gab die Überlegung, ob man billigeres Material kauft, aber da pro Kubikmeter weniger Energie ‚drinsteckt‘, stimmte die Rechnung für uns nicht“, so Roland Rams­ebner. Außerdem wären durch die höhere Anliefermenge die Lagerkapazitäten rascher erschöpft, die Kesselwartung wäre intensiver und der Ascheanfall größer.    

Weniger Feinstaubemissionen, mehr Wärmerückgewinnung    
Eine Besonderheit im Heizwerk ist das Asche­saugsystem, eine Art Staubsaugeranlage. Grobe Ascheanteile werden damit eingesaugt und zusammen mit der feinen Asche, die bei der Rauchgaskondensation anfällt, gesammelt und entsorgt. Überhaupt kann sich die Biomasseanlage damit rühmen, mit den gemessenen Staubwerten ganze 40 Prozent unter den von der Behörde geforderten Grenzwerten zu liegen. Dieses Ergebnis ist der Rauchgaskondensation des oberösterreichischen Herstellers Heger Edelstahl geschuldet: Die Rauchgasfilterung spart rund 50 Prozent der Feinstaubemissionen gegenüber vor dem Umbau ein. Neben der Reduzierung der Feinstaubemissionen hat die neue Anlage noch eine weitere ­wesentliche Funktion: Die Wärmerückgewinnung von bis zu 230 kW mittels Rauchgas­kondensation, die zur Steigerung der Leistung und des Wirkungsgrades beiträgt. Die weiße Rauchgasfahne, die über dem Heizhaus zu sehen ist, besteht also zum Großteil aus Wasserdampf, da das Rauchgas von ca. 180 Grad auf ca. 50 Grad abgekühlt wird. Diese Effizienzsteigerung spart ca. 1.000 Schüttraummeter Hackgut pro Jahr, also auch deren Rauchgase und die entsprechenden Transportwege. Das ergibt eine Einsparung von ca. zehn Prozent. „Zwei Fliegen mit einem Schlag: Wärmerückgewinnung und Filterwirkung“, freut sich der Betreiber über das Resultat.    

Geringe Rücklauftemperaturen aus dem Netz
Damit sich das volle Potenzial der Wärmerückgewinnung entfalten kann, spielen viele Faktoren zusammen: Etwa, welches Hackgut verwendet wird und ob die jeweils passende Einstellung dafür angewandt wird. Stark abhängig ist sie aber vor allem von der Rücklauf­temperatur, die vom Netz zurückkommt. Je größer die Differenz der ins Netz eingebrachten Wärme (90 Grad) und der Rücklauftem­peratur (47 Grad), desto energieeffizienter funktioniert das System. „Wir haben eine Temperaturspreizung von ungefähr 43 Grad, womit wir sehr zufrieden sind“, so der Betreiber. „Wir wissen, dass viele Heizwerke mit Spreizungen von 30 Grad oder weniger arbeiten und dementsprechend mehr Wasser in den Wärmenetzkreislauf pumpen.“ Das ließe sich aber unter anderem dadurch vermeiden, indem die Kundenanlagen auf die jeweiligen Bedürfnisse hin optimiert werden. Hier ermöglicht die Technologie des oberösterreichischen Herstellers Link3, Gewinner des Energy-Globe 2019 in der Kategorie Feuer, enormes Einsparungspotential. Das Unternehmen versteht sich in erster Linie als Spezialist für optimierte Hydraulik, was sich in mehreren Bereichen positiv auswirkt. Die Hydraulik ist das Transportsystem zwischen Energieerzeugern und -verbrauchern. Hier gilt der Grundsatz: Wenig Wasser bewegen, aber so viel wie möglich Energie transportieren. Dafür sind hohe Tauscherleistung, eine hohe Schichtungsfähigkeit und paradoxerweise so wenig wie möglich Technik dienlich. „Wir arbeiten mit Physik statt Pumpen, Ventilen und überbordenden Regelungsaufwand“, erklärt Link3-Geschäftsführer Robert Laabmayr. Leitungsdimensionen werden kleiner, und Kosten über den gesamten Lebenszyklus eingespart. Reduktionen der Anschlussleistungen von bis zu 50 Prozent helfen nicht nur dem Kunden, sondern bringen     dem Netzbetreiber höhere Wirtschaftlichkeit. Gleichzeitig performt diese Technologie einzigartig im Bereich der Warmwasser-Hygiene welche bisher mit der Effizienz oft im Widerspruch lag. Da den Betreibern ein energieeffizienter Betrieb wichtig ist, legen sie großen Wert auf Kundenservice und optimieren auch beim Kunden vor Ort das Heizsystem – passend zu den jeweiligen Bedürfnissen, denn zu den Kunden der Nahwärme Hinterstoder zählen die unterschiedlichsten Wärmeabnehmer: vom Well­ness­hotel bis hin zum Einfamilienhaus.     

Umbau bei laufendem Betrieb    
Um den Kundenkreis der bis dato ca. 160 angeschlossenen Haushalte vergrößern zu können, wurde eine Erweiterung des Heizwerks zwingend notwendig: „Mit Herbst 2017 wurde unsere Leistungsgrenze erreicht, eine Verdichtung des Nahwärmenetzes war somit nicht mehr möglich.“ Der lange Sommer kam den Betreibern bei den Bauarbeiten sehr zupass, trotzdem war die Bauphase sehr intensiv. Die Wärmeversorgung musste durchgehend aufrecht erhalten bleiben, dadurch musste sich das Team von Bauschritt zu Bauschritt nach vorne hanteln. „Es ist wesentlich komplizierter als bei einem Neubau“, gibt Roland Ramsebner zu bedenken. Mit verschiedenen Notlösungen und Provisorien wie etwa dicken Panzerschlauchverbindungen mitten durch die Baustelle und einer Notversorgung mittels Heizcontainer ist es schließlich gelungen. Heute können die Betreiber stolz auf das Ergebnis blicken: In der ersten Heizsaison konnte die Nahwärme 3.900 MWh/Jahr verkaufte Wärme bei einer Anschlussleistung von ca. 2.600 kW sowie eine Heizöl-Ersparnis von 510.000 Liter jährlich, was eine CO2-Ersparnis von 1.570 Tonnen bedeutet, verbuchen.

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