Bioenergie: großes Potenzial und viele Herausforderungen8 min read
Lesedauer: 6 MinutenZur nachhaltigen Wärmeversorgung in Österreich ist Bioenergie unersetzbar. Doch auch als wetter- und jahrezeitenunabhängiger Stromlieferant ist sie von großer Bedeutung. Welches Potenzial noch in dieser Energieform steckt und welche Herausforderungen die Bioenergie-Branche derzeit zu meistern hat, darüber sprachen wir mit Dr. Eva Talic, Generalsekretärin bei IG Holzkraft, der Interessensvertretung von Biomasseheizwerken in Österreich.
Die IG Holzkraft tritt als Interessensvertretung für die Belange der Betreiber, Anlagenbauer und Zulieferer von Holzkraftwerken in Österreich ein. Seit 2020 bekleidet dort Dr. Eva Talic die Position der Generalsekretärin. Zuvor hat sie das Studium der stofflichen und energetischen Nutzung nachwachsender Rohstoffe an der Universität für Bodenkultur in Wien und der Technischen Universität München abgeschlossen und sich im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Holzforschung Austria intensiv mit der Klassifizierung von Holzbrennstoffen beschäftigt. Mit zek KOMMUNAL sprach sie unter anderem über die Rechtslage hinsichtlich des erneuerbaren Ausbaus, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Bioenergie sowie technische Innovationen der Branche.
zek KOMMUNAL: Welche Bedeutung hat die Bioenergie für Österreich?
Eva Talic: Die Bioenergie insgesamt mit den Teilbereichen Strom, Wärme sowie den Treibstoffsektor ist für Österreich sehr bedeutend und von allen erneuerbaren Energieformen die wichtigste – wobei man hier vor allem den Bereich der Wärme hervorheben muss, die nachhaltig ganz massiv mittels Bioenergie erzeugt wird. Wenn man den Stromsektor betrachtet, ist die Bioenergie im Verhältnis zu Windenergie oder Wasserkraft ein eher kleiner Player. Sie hat aber insofern ihre Bedeutung, da sie grundlastfähig ist und unabhängig von Witterungsbedingungen oder Wasserständen immer einsatzbereit und flexibel einsetzbar ist.
Gibt es spezielle Themen, die die Bioenergie aktuell bewegen?
Es sind Themen, die alle Energieformen im Bereich der Erneuerbaren bewegen. Das ist zum einen die Rechtslage in Österreich hinsichtlich des erneuerbaren Ausbaus: Seit einigen Jahren regelt das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) Förderungen. Wir mussten sehr lange auf die Verordnung zu den Förderhöhen warten, die sogenannte Marktprämienverordnung. Außerdem soll ein weiteres Gesetz beschlossen werden, das sogenannte Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG), das Genehmigungsverfahren erleichtern soll. Von internationalen Interesse ist die Renewable Energy Directive III (RED III): Zum einen, da darin Punkte zum erneuerbaren Ausbau geregelt sind und diese in Österreich eine gewaltige Beschleunigung des Ausbaus bringen kann. Und zum anderen, spezifisch auf die Bioenergie bezogen, weil darin Kriterien festgelegt sind, die die Nachhaltigkeit der Bioenergie regeln und den Nachweis dazu. Das System ist in Österreich bereits in Kraft: Es gibt für Anlagen ab einer bestimmten Größe Vorgaben, die per Zertifizierung nachgewiesen werden müssen. Mit Inkrafttreten von RED III betrifft der Nachweis nachhaltig eingesetzter Rohstoffe auch kleinere Anlagen.
Es gibt Kritiker der Bioenergie: So wird hinterfragt, ob die Bioenergie nachhaltig genug ist. Auch die Konkurrenz zwischen Flächen für den Lebensmittelanbau und Energiebäumen als Brennstoff ist Thema. Helfen Nachhaltigkeitszertifikate dabei, diese Vorbehalte auszuräumen?
Bei Holzkraftwerken besteht der Brennstoff, der zum Einsatz kommt, fast vollständig aus Reststoffen aus der Forstindustrie, also Waldrestholz oder Holzreststoffe aus der holzverarbeitenden Industrie. Das Anpflanzen von Energieholz ist in Österreich aktuell de facto überhaupt kein Thema. Die Betrachtung, dass Holz zur Biomasse-Nutzung CO2-neutral ist, ist wissenschaftlicher Konsens. Es ist auch die verfügbarste Form der CO2-neutralen thermischen Nutzung, die Alternative wären fossile Brennstoffe. Die Nachhaltigkeitszertifizierungen soll genau den Nachweis erbringen, dass die eingesetzte Biomasse den Vorgaben der EU entspricht. Es ist Tatsache, dass das Österreichische Forstgesetz diese Vorgaben bereits vollumfänglich erfüllt. Das heißt, wenn ein Betreiber österreichisches Holz einsetzt, wurde das Holz auch nachhaltig geerntet.
Sie haben zuvor über die gesetzlichen Bestimmungen, die derzeit umgesetzt werden, gesprochen. Gibt es da Ihrerseits Kritikpunkte, was noch besser gemacht werden könnte?
Mit dem Beschluss zum EAG wird das Ziel hin zu 100 Prozent erneuerbaren Strom in Österreich angeschoben, das ist auch die Mindestvoraussetzung dafür. Aktueller Kritikpunkt die lange Verzögerung der Marktprämienverordnung und die deutlich zu niedrig angesetzten Vergütungshöhen. Diese ist wichtig, weil die Preisentwicklung des letzten Jahres massiv war – wir kennen alle die Inflationszahlen. Das wirkt sich einerseits auf den Bau neuer Heizwerke aus, andererseits auf den Holzpreis mit massiven Preisverwerfungen auf dem Rohstoffmarkt. Dem ist Rechnung zu tragen und dafür braucht man entsprechende Förderhöhen. Auch dass die Termine der Ausschreibungen für Förderungen erst im März feststehen, ist für die Planung von Projekten nicht ideal. Ein positiver Punkt ist das neue Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG), welches in Begutachtung gegeben und hoffentlich zeitnah beschlossen wird. Damit wird vor allem der Ausbau der Stromnetze neu aufgestellt. Die Umsetzung einer erfolgreichen Energiewende wird nur gelingen, wenn wir die Stromnetze entsprechend vorbereiten und sie verstärkt ausgebaut werden. Es ist zu hoffen, dass es noch in dieser Legislaturperiode beschlossen wird.
Inwieweit haben Sie als Interessensvertretung bei Gesetzgebungen Einfluss bzw. wie können Sie sich hier einbringen?
Wir haben einerseits die Wege, die jedem Bürger offen stehen: Etwa mit einer Stellungnahme im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens. Außerdem versuchen wir als Interessensvertretung mit politischen Entscheidungsträgern und zuständigen Beamten Gespräche zu führen, um auf bestimmte Dinge aufmerksam zu machen.
Was sind weitere Ihrer Aufgaben als Interessensvertretung?
Unsere Aufgabe ist neben der klassischen Interessensvertretung gegenüber Politik und Behörden, Informationen für unsere Branchenmitglieder so übersichtlich und verständlich wie möglich aufzubereiten – für diejenigen, die keine Zeit haben, jeden Gesetzestext durchzulesen und sich im Detail damit auseinanderzusetzen. Als weiteren Aufgabenbereich zu sehen ist die Vernetzung und Vertretung nach außen an die Öffentlichkeit.
Gibt es Hemmschuhe, die das Vorankommen der Bioenergie verlangsamen?
Wir sind auf europäischer Ebene – zwar weniger in Österreich, es wirkt sich jedoch auch hierzulande aus – mit einer allgemeinen Kritik an der Bioenergie-Nutzung konfrontiert. Mit dem Argument, dass eine kaskadische Nutzung (Mehrfachnutzung eines Rohstoffs Anm. d. Red.) nicht im erforderlichen Ausmaß sichergestellt wird. Außerdem gibt es einen Aktivismus, der fordert, Wälder allgemein außer Nutzung zu stellen. Dieser Diskussion muss man immer mit Fakten kontern: Die kaskadische Nutzung ist in Österreich gegeben und wir wissen, dass die bewirtschafteten Wälder die besseren CO2-Speicher sind als eine Außernutzungsstellung und die Bioenergie unerlässlich ist im Bereich der Wärmenutzung. Aber auch im Bereich der Stromnutzung hat sie Vorteile: Weil sie nachhaltig, flexibel und planbar einsetzbar ist sowie teilweise einfach alternativlos.
Haben Sie das Gefühl, dass die Energieerzeugung mittels Bioenergie in der Bevölkerung positiv gesehen wird?
Österreich ist im europäischen Vergleich eines der Länder, wo wir auf einen positiven Widerhall treffen, da es eine lange Tradition hat: Nahwärmenetze bestehen seit den 80er-Jahren. Wir haben auch eine starke Holzindustrie, die früh erkannt hat, dass sie die Reststoffe zur Energienutzung einsetzen kann und sich dadurch einen Kostenvorteil und einen ökologischen Vorteil verschaffen kann.
Hat der Klimawandel Auswirkungen auf den Wald und dementsprechend auf die Bioenergie?
Er beeinflusst den Wald bereits und wir werden einen Umbau des Waldes sehen: Langfristig wird dieser aber keinen Nachteil, vielleicht sogar einen Vorteil für die Bioenergienutzung bringen. Weil mehr Holzarten gepflanzt werden wie Laubholz, die einen potenziell höheren Anteil an Reststoffen haben als die aktuelle Brotbaumart Fichte. Kurzfristig ist es aber problematisch, weil es zu Verwerfungen auf dem Holzmarkt führt. Einerseits zu Preiseinbrüchen wegen Schadholz durch Borkenkäfer oder Windschäden, andererseits zu Preissteigerungen, wenn dadurch Einschlagmengen zurückgefahren werden müssen.
Gibt es aktuell technische Entwicklungen, die besonders erwähnenswert sind?
Der Holzvergasungssektor ist einer der innovativsten Bereiche in der Bioenergienutzung. Es gibt einen Trend hin zu größeren Holzgaskraftwerken, wie etwa das seit rund einem Jahr betriebene Holzgaskraftwerk in Perg – das größte Österreichs, das eine bemerkenswerte elektrische Leistung von 1 MW hat. Es gibt auch verstärkt die Entwicklung von Technologien, die zusätzlich zu Strom und Wärme beim Holzvergasungsprozess Kohle produzieren. Diese kann in verschiedenen Anwendungsgebieten eingesetzt werden, etwa in der Baustoffindustrie oder in der landwirtschaftlichen Nutzung – und ist zusätzlich ein langfristiger CO2-Speicher. Auch noch interessant ist die Entwicklung von verschiedenen Methoden der (Hochtemperatur-)Prozesswärme. So schafft man neue Möglichkeiten, um Industriebetrieben nachhaltige Möglichkeiten zur Prozesswärmeerzeugung zur Verfügung zu stellen.
Welche Potenziale sehen Sie noch für die Bioenergie in Österreich?
Wir haben das Ziel, dass wie es das EAG vorschreibt, bis 2030 eine zusätzliche Terrawattstunde Strom aus Biomasse zu erzeugen. Das ist zumindest eine gute Basis für die elektrische Nutzung. Wir müssen uns langfristig darüber Gedanken machen, dieses Ziel noch zu erhöhen. Es ist durchaus noch Potenzial gegeben, wenn man bedenkt, dass viele der Anlagen, die derzeit im Einsatz sind, in ein Alter kommen in dem sie modernisiert werden sollten. Dadurch schafft man einen noch effizienteren Einsatz der Biomasse – mit der vorhandenen Biomasse lässt sich eine noch höhere Energieerzeugung erreichen. Also die Biomasse hat durchaus noch Potenzial und vor allem nachhaltiges Potenzial. Da werden wir in den nächsten Jahren sicher noch eine positive Entwicklung beobachten können.
Vielen Dank für das Gespräch!
Erschienen in zek KOMMUNAL Ausgabe 1/2024
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