Wärme- & Energieversorgung

Heizwerk setzt auf Solar/Biomasse-Kombination10 min read

18. Jänner 2016, Lesedauer: 7 min

Heizwerk setzt auf Solar/Biomasse-Kombination10 min read

Lesedauer: 7 Minuten

Über 2.000 Sonnenstunden pro Jahr verzeichnet Kärnten jährlich. Zusätzlich kann sich das südlichste Bundesland Österreichs mit einer Seenlandschaft rühmen, die ihresgleichen sucht: Über 100 Seen befinden sich hier. Der bekannteste von ihnen ist der Wörthersee.

Genau hier, in der Gemeinde Krumpendorf, entstand eines der ersten Biomasseheizwerke, das die sonnenverwöhnte Lage zur zusätzlichen Energiegewinnung nutzt. Die Kombination von Biomasse und Solarthermie steigert die Effizienz und die Betriebssicherheit der Wärmeversorgung der Gemeinde.

Als suche die Gemeinde Krumpendorf die Nähe zum Wasser, schmiegt sie sich in einem schmalen Streifen, der bis über den angrenzenden Nohrenberg reicht, an das Nordufer des Wörthersees. Wohl seiner idyllischen Lage bewusst und seines Reichtums an Naturschönheit, bemüht sich der 3.419 Einwohner zählende Ort um nachhaltiges Denken und Handeln. Dafür wurde die Kommune bereits zur „Gesunden Gemeinde“ ernannt – eine Initiative zur regionalen Gesundheitsförderung in Kärnten – sowie zur e5-Gemeinde. Ziel dieses Programms ist es, in den Gemeinden eine kontinuierliche und schrittweise Entwicklung zu mehr Energieeffizienz in Gang zu setzen und diese auch entsprechend zu würdigen. Außerdem hat sich Krumpendorf das ehrgeizige Ziel gesetzt, Österreichs Nummer 1-Gemeinde für Elektromobilität werden. Bei all den umweltverträglichen Ambitionen wundert es nicht, dass sich der Ort gemeinsam mit der Regionalwärme Gruppe für ein Biomasseheizwerk einsetzte.

Herausfordernde Standortsuche
Doch von der Kopfgeburt bis zur tatsächlichen Ausführung des Bauvorhabens war es ein langer Weg. Das widersprüchliche Standortkriterium war, das Heizhaus nicht zu nah an das Wohngebiet zu positionieren, gleichzeitig aber eine kurze Distanz zu den Wärmeverbrauchern zu halten, um die Netzverluste gering zu halten. „Möglichst weg von den Häusern im Ort, möglichst nah bei den Wärmeverbrauchern – das schlägt sich“, erläutert Christoph Aste, Planer und Miteigentümer der Regionalwärme Gruppe Krumpendorf die Schwierigkeiten bei der Baugrundsuche. Ein Problem, das wohl auf viele Heizhaus-Vorhaben zutrifft. In Krumpendorf kommt noch eine weitere Herausforderung hinzu: Die Gemeinde am Wörthersee ist eine der teuersten Baugründe Kärntens. „Wir haben relativ lange probiert einen Standort unterhalb der Autobahn zu bekommen, weil das der unattraktivste Platz in Krumpendorf ist. Leider war die Zufahrt zu diesen Flächen nicht möglich, da ein Abzweiger in der Autobahnauffahrt zur Betriebszufahrt nicht möglich war.“

Das nun tatsächlich bebaute Grundstück erweist sich aber als der weit attraktivere Standort: mit einem Waldhang, der sich auf der Rückseite des Gebäudes aufbäumt und der Aussicht auf den See, der zwischen den Wohnhäusern und Hotels in den vorderen Uferreihen immer wieder blau durchblitzt. „Aber einen Grund in Krumpendorf zu finden ohne Seeblick ist hier schwer – man sieht fast von überall den See“, schmunzelt der Planer. Doch waren natürlich nicht die optischen Vorzüge des Grundstücks ausschlaggebend für den Kauf: Hier gibt es keine direkte Anrainer – und dank eines in näherer Entfernung befindlichen Naturschutzgebiets wird der isolierte Zustand wohl so bleiben. Die direkt am Heizhaus vorbeilaufende Landstraße, die daneben entlangführende Bahnstrecke und die hinter dem steilen Waldstück befindliche Autobahn sind Lärmemittenten, die das Land zusätzlich für den Wohn- und Gastgewerbebau unattraktiv machten. Zusätzlich handelte es sich hier keineswegs um einen einfachen Bauplatz: „Die Bauparzelle haben wir dem Felsen abgerungen“, erzählt Christoph Aste. Und tatsächlich: Auf der Rückseite des Gebäudes, dort, wo der Umkehrplatz für die Lieferanten endet, erkennt man, dass der Platz für den Baugrund wie mit einem Messer aus dem Felsen geschnitten wurde – meterhoch ragt hier senkrecht die Felswand empor. Doch der Aufwand hat gelohnt: Das Heizhaus befindet sich nah genug an den 80 Wärmeabnehmern, es handelt sich nur um eine geringe Strecke ohne Wärmeabsatz. Direkt an der Landstraße gelegen, wird die Gemeinde durch Biomasse-Zulieferer per LKW nicht gestört, es gibt außerdem einen großen Umkehrplatz, der vom Gebäude abgeschirmt wird. Doch das Eruieren eines geeigneten Baugrunds war nur der erste Schritt: In Seenähe ist es natürlich deutlich schwieriger eine Genehmigung für den Bau zu bekommen. „Das hat knappe zwei Jahre gedauert – durchschnittlich dauert dieser Vorgang ein halbes Jahr“, so der Planer. „Seitens der Gemeinde hatten wir große Hilfestellung – auch mit der Motivation, dass der Ort ein Klimabündnis hat und e5-Gemeinde ist.“ So wurde ein energiebewusstes und nachhaltiges Profil des Ortes geschärft. Mit der Lokalisierung eines geeigneten Baugrunds und der schlussendlichen Genehmigung zur Bebauung wurde die größte Hürde zur Umsetzung des Biomasseheizwerks noch vor dem Bau genommen. Einzig die als zu kurz geplante Kaminhöhe sorgte für eine nachträgliche Umplanung, da mit dem höheren Kamin auch die Statik des Daches angepasst werden musste.

Integration von Solarthermie
Nach dieser Vorarbeit war es soweit, die technischen Herausforderungen der Anlage anzunehmen. Denn statt einer reinen Biomasseanlage setzte man auf die Integration von Solarthermie – so handelt es sich hier um eine multivalente Zwei-Kesselanlage. Das Ziel ist dabei die Heizhausenergieeffizienz mit solarer Wärmeeinspeisung sowie einer Rauchgaskondensation zu steigern. Ein ausgefeiltes System, das durch das komplexe Zusammenspiel der einzelnen Komponenten vor allem steuerungstechnischen Innovationsgeist verlangte.

Wärmeverlust wird genutzt
Dem durchdachten und ineinander verzahnten Zusammenspiel ging eine Frage voraus: Wo wird die meiste Wärme verloren und wie kann dieser Verlust eingeschränkt werden? Ganze 140 Grad verpuffen beim Heizen über den Kamin ungenutzt ins Freie – eine beträchtliche Einbuße. Eine Schwäche, die sich die Regionalwärme Gruppe zu Nutze gemacht hat. Ein höherer Wirkungsgrad des Gesamtsystems wird durch einen ausgetüftelten Kreislauf erreicht: Dieser beginnt bei der Rauchgaskondensation von Kohlbach, die die 140 Grad auf 70 Grad absenkt und so den Wärmeverlust halbiert. Etwa 55 Grad werden über die Kondensation rückgeführt – dieser Wert ist bei einer geforderten Vorlauftemperatur von etwa 90 Grad für die Nahwärme unbrauchbar, das kühlere Wasser muss über die Wärmepumpe erhitzt werden. Bei dem Prozess wird die Wassertemperatur energetisch ausgeglichen: Während ein Teil des Wassers das höhere Temperaturniveau erreicht, sinkt bei dem anderen die Temperatur. Und dieses kalte Wasser wird wiederum der Solaranlage zugeführt – denn kaltes Wasser kann von der Solarthermie mit geringerem Energieeinsatz erhitzt werden, als lauwarmes – der Wirkungsgrad der Anlage steigt. „Das ist der Trick: Dafür braucht man etliche Schaltungen und Steuerungen, damit das funktioniert“, so Christoph Aste.

Zusammenwirken der Komponenten
Herausfordernd war auch, dass der Biomassekessel, der konventionell solitär funktioniert, nun mit anderen Elementen der Anlage kommunizieren muss: Mit der Wärmepumpe genauso wie mit der Solarthermie und die wiederum sind auch miteinander vernetzt – und jede Komponente stammt von einem anderen Hersteller. So wurde die Wärmepumpe von Ochsner geliefert und das Solarsystem von Hoval, den Biomassekessel fertigte der Hersteller Kohlbach. Das Unternehmen hat bereits mehrere Anlagen für die Regionalwärme Gruppe gebaut. „Steuerungstechnisch ist das eine Challenge“, erzählt Hannes Hafner, Geschäftsführer und Eigentümer des Heizwerks. „Aber wir sind zufrieden. In einem anderen Heizwerkprojekt wurde die Technik von Krumpendorf adaptiert.“

Multivalente Zwei-Kesselanlage
Die Vorteile einer multivalenten Zwei-Kesselanlage sind unter anderem eine besser gewährleistete Betriebssicherheit, optimiertes Lastmanagement und gesteigerte Effizienz. „Wenn etwa die Solarthermie den Auftrag des Biomassekessels erfüllen kann und die beiden 31.000 l Pufferspeicher gefüllt sind, läuft der Kessel auf Standby“, erläutert Christoph Aste. Der Einsatz großer Solarthermieanlagen in Kombination mit Nahwärmeanlagen ist mit der Wärmeversorgung von Neuanschlüssen und zur Behebung von Problemen in der Sommerwärmebedarfsdeckung von Nahwärmenetzen auch wirtschaftlich interessant. Die Wärmegestehungskosten der Solaranlage sind weit unterhalb des Öl-/Gaskesselbetriebs, aber auch absolut konkurrenzfähig zum Biomassekesselbetrieb. Die Wirtschaftlichkeit einer solchen Kombination war selbst für so erfahrene Betreiber wie bei der Regionalwärme Gruppe  – immerhin werden von ihr 14 Heizwerke betrieben – erst mit diesem Bauprojekt ersichtlich. „Wir waren immer der Meinung, Solarthermie und Heizhaus, das passt nicht zusammen – insbesondere kostenmäßig. Wir haben einen fixen Preis, ab wieviel wir ans Netz abgeben müssen und die Solarthermie hätte diesen Preis zumindest aufgrund der Investitionskosten kurzfristig erhöht“, erzählt der Betreiber von den anfänglichen Zweifeln. Dank einer Förderung für Großsolarthermieanlagen des Klimaenergiefonds konnte das Heizhaus in der Solar-Biomasse-Kombination umgesetzt werden. Die Förderstelle zeigte sich unbürokratisch und kooperativ. „So schwierig die Genehmigungsphase war, so technisch clever und für uns auch wirtschaftlich interessant war die Klimaenergiefond-Abwicklung“, lobt Christoph Aste den zügigen Prozess.

Effizienzsteigerung dank Solarthermie
Durch das Zusammenwirken von Solarthermie und Biomasse konnte insbesondere im Sommer eine Energiesteigerung erzielt werden. „Die höchste Leistung, die die Solarthermie erreicht hat, waren 110 kW, eine schöne Leistung. Das sind Temperaturen über 90 Grad, also ein fernwärmefähiges Temperaturniveau“, erläutert der Betreiber. „Bei sehr hohe Sonneneinstrahlung, so wie es 2015 der Fall war, können wir unsere großen Puffer aufladen und in der Nacht die Wärme an die Wärmekunden für Duschen, Baden, etc. abgeben.“ Dadurch wird eine Optimierung von Speicher- und ­Lastmanagement zur Verringerung des Schwachlastbetriebs des Hackgutkessels sowie ein reduzierter Betriebsaufwand im Sommer erreicht. Während im Sommer der Wärmebedarf also allein durch die Solaranlage gedeckt werden soll, beläuft sich der solare Deckungsgrad des gesamten jährlichen Deckungsgrad laut Simulation auf 6,9 Prozent, der gesamte jährliche Kollektorfeldertrag wird dabei mit rund 85 MWh/a angenommen (10.500 MWh/a liefert die Gesamtanlage). Produziert wird diese Energie von 19 Großkollektoren „GFK2GT“ von Hoval, die eine Fläche von 191 qm ergeben. Die Solarfelddimensionierung wurde durch die Dachfläche begrenzt.

Innovationsgeist bei solarer Systemintegration gefordert
Derzeit gibt es nur wenige Heizwerke, die eine solare Systemintegration haben, „da muss man erst Erfahrungen sammeln, Last­zustände und Leistungen finden“, zählt Christoph Aste auf. Ein Beispiel: „Wir haben gesehen, dass man bei integrierten Solarflächen relativ große Puffer braucht, mindestens 250 Liter je Quadratmeter Solarfläche. Dazu kommt, dass der Biomassekessel zusätzliche Pufferkapazitäten brauchen.“ Bei den Puffern zeigt sich die Wichtigkeit des Lastmanagements: Die unteren, kühleren Schichten des Puffers müssen der Solaranlage vorbehalten bleiben – da diese Temperaturen solarthermisch effizienter geheizt werden können. Hat dann die Solarthermie das Wasser erhitzt, wird diese neue heiße Schicht dem Puffer im oberen Bereich abgelegt. Würde der Biomassekessel auch die unteren Schichten erwärmen, könnte die Solarthermie selbst bei starkem Sonnenschein kaum noch Temperaturerhöhungen erzielen. „Von 75 Grad auf 90 Grad heizt die Solaranlage schwer, währenddessen die Steigerung von 40 auf 80 Grad leicht fällt. Deswegen ist es eminent wichtig, dass man in der Schichtung von den Puffern dieses Wasser der Solarthermie überlässt, damit eben dieses kalte Wasser von der Wärmepumpe zur Effizienzsteigerung führt“, erklärt der Planer. Die Solarproduktion fängt erst an, wenn Sensoren in der Mitte des Puffers und auf dem Kollektorfeld einen bestimmten Temperaturunterschied messen. Sobald dieser gegeben ist, startet die Solarkreispumpe.

Optimiertes Netz
Dabei sind die Solarwärmeproduktionskosten absolut systemrücklauftemperaturabhängig. Je höher der Rücklauftemperatur ist, desto teurer wird die Wärmeproduktion der Solarthermie, diese wird dann ineffizienter. „Ich gebe als Hausformel:  Plus 1 Euro pro Grad Netztemperaturrücklauf“, so Christoph Aste. Oder anders herum: Wenn die Temperatur um einen Grad gesenkt wird, sinken die Wärmekosten gleichzeitig um etwa 1 Euro/MWh. Für niedrig gehaltene Rücklauftemperaturen und ein optimiertes Netz zeigt sich dabei die Netzeigentümerin Bioprojekte A&P verantwortlich, die sich auf dieses Gebiet spezialisiert hat.

Genaue Dokumentation
Priorität setzte die Regionalwärme Gruppe vor allem auf die genaue Dokumentation. „Die Datenauslesung ist von überall aus möglich – von meinem Arbeitsplatz, von der Regionalwärme Gruppe oder im Seminarraum. So sind die Zustände der Anlage zeitecht ablesbar“, zeigt sich Christoph Aste begeistert vom unkomplizierten Zugriff auf alle verfügbaren Heizhausdaten. Außerdem können alte Werte leicht miteinander verglichen werden und so Erfahrungen daraus gezogen werden. Erfahrungen sammeln heißt es nun mit der heurigen Heizsaison – am 30. Oktober wurde das Heizhaus offiziell im Rahmen einer Feier eröffnet. Doch auch außerhalb dieser Festivität zeigt sich die Biomasse/Solaranlage für die Einwohner von Krumpendorf und andere Interessierte zugänglich. Das zeigt bei der Gestaltung der Fassade – diese ist an der Frontseite des Gebäudes großflächig verglast. Auf eine gelungene Präsentation hat die Regional­wärme Gruppe große Priorität gelegt: „Wir möchten so potenzielle Kunden, aber auch künftige Nachahmer informieren.“ Davon profitieren auch Firmenpartner, die künftige Kunden zum Referenzobjekt in Krumpendorf führen. Das Heizhaus ist ein weiteres Zeugnis für Expertise der Regionalwärme Gruppe, die in ganz Österreich Projekte mitbegleitet und Gemeinden in allen Belangen zur Seite steht, wenn es um die Errichtung von innovativen Wärmelösungen geht.

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