Kelheims Wärmeinseln wachsen zusammen: Erfolgsmodell für ökologische Fernwärme in Niederbayern
In der niederbayerischen Stadt Kelheim entwickelt sich ein zukunftsweisendes Modell für nachhaltige Energieversorgung: Aus mehreren ursprünglich isolierten Nahwärmeinseln entsteht Schritt für Schritt ein zusammenhängendes, ökologisch betriebenes Fernwärmenetz. Was mit einer einzelnen Wärmeinsel im Jahr 1994 begann, könnte bald große Teile der Stadt klimafreundlich mit regenerativer Wärme versorgen.

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Von der Wärmeinsel zum Wärmenetz: Kelheims Strategie für nachhaltige Energie
Bereits 2009 visualisierten die Stadtwerke Kelheim mit dem Konzept „Ideenergie“ ihr Ziel: ein verbundenes Nahwärmenetz für die gesamte Stadt. Die fünf bestehenden Wärmeinseln waren damals noch unverbunden – ein Problem, das viele kleinere Gebietsversorgungen mit sich bringen: Hohe Rücklauftemperaturen und geringe Effizienz. Um die technische Machbarkeit zu prüfen, wurde das erfahrene Ingenieurbüro Gammel Engineering aus Abensberg beauftragt. Daraus entwickelte sich eine bis heute erfolgreiche Partnerschaft.
1994: Der Startpunkt mit Gas-BHKW im Norden Kelheims
Die erste Wärmeinsel versorgte Feuerwehr, Schule, Bauhof, Klinik und das Einkaufszentrum mit Wärme aus einem Gas-Blockheizkraftwerk (BHKW). Ein weiteres BHKW folgte für das städtische Schwimmbad. Die günstigen Gaspreise der 90er-Jahre ließen zunächst keinen Druck zur Umstellung auf alternative Systeme erkennen. Doch mit dem Alter der Anlagen und wachsendem Umweltbewusstsein wurde eine Umstellung notwendig.

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2011: Spatenstich für das Biomasseheizkraftwerk – der Systemwechsel beginnt
Nach intensiver Überzeugungsarbeit wurde 2011 der Bau eines zentralen Biomasseheizkraftwerks (BMHKW) gestartet. Die dort erzeugte Wärme stammt aus regionalen Holzhackschnitzeln und wird mittels einer ORC-Turbine zusätzlich zur Stromerzeugung genutzt. Die Verbindung mit der bestehenden Wärmeinsel am Bauhof erhöhte die Versorgungssicherheit erheblich. Für Spitzenlasten sorgt ein zusätzlicher Gas-Spitzenlastkessel.
Pelletheizung und Netzverknüpfung: Der Weg zum integralen Wärmenetz
Mit einer Pelletheizung in der Innenstadt begann die nächste Phase. In mehreren Schritten wurden die Wärmeinseln systematisch miteinander verbunden. Voraussetzung für jede Ausbaustufe waren gesicherte Abnahmeverträge – ein zentraler Aspekt der strategischen Planung der Stadtwerke Kelheim. Der Zusammenschluss mit dem kommunalen Schwimmbad (Querverbund Stadtwerke-Bad) sicherte nicht nur dessen Weiterbetrieb, sondern auch den wirtschaftlichen Erfolg des Gesamtsystems.
Der Sprung über den Kanal: Herausforderung Innenstadtversorgung
2016 wurde die Fernwärmeversorgung in die Innenstadt südlich des Main-Donau-Kanals erweitert – unter schwierigen Bedingungen, denn auch in der Umbauphase musste das Kreiskrankenhaus zu 100 % versorgt bleiben. Dank strukturierter Planung, fundierter Businesspläne und enger Abstimmung mit dem Landkreis gelang auch dieser Schritt.

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Neue Abnehmer und ein sichtbares Zeichen: Der Pufferspeicher 2024
Mit dem Anschluss des Landkreis-Gymnasiums 2021 gewann das Wärmenetz weitere Reichweite. Anfang 2024 wurde zudem ein 20 Meter hoher Pufferspeicher am BMHKW errichtet. Mit 200.000 Litern Speichervolumen verbessert er die hydraulische und zeitliche Entkopplung von Wärmeerzeugung und -verbrauch. Optisch auffällig und durch einen lokalen Graffiti-Künstler gestaltet, wurde der Speicher auch in den sozialen Medien zum Stadtgespräch.
Gefördert wurde die Investition durch das Programm „Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW)“. Der Speicher stärkt nicht nur die Versorgungssicherheit, sondern macht das Wärmenetz flexibler planbar – ein zentraler Vorteil für die kommunale Wärmeplanung der Zukunft.

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Schlanker Betrieb, große Wirkung
Das Nahwärmenetz Kelheim ist mit einem überschaubaren Personalaufwand effizient organisiert: Zwei Mitarbeiter betreuen das Kraftwerk, ein Netzmeister das Leitungsnetz, unterstützt von einem Bereitschaftsdienst und einer Halbtagskraft für die Abrechnung.
Fernwärme Kelheim als Zukunftsmodell für kommunale Energieversorgung
Das Kelheimer Modell überzeugt nicht nur technisch, sondern auch strategisch: „Fernwärme ist eine krisenfeste Energieversorgung. Die Kombination aus unterschiedlichen Technologien und regionalen Energieträgern schafft Flexibilität und Versorgungssicherheit“, so Christian Schweiger, Erster Bürgermeister von Kelheim. Die langjährige Zusammenarbeit mit Gammel Engineering, die konsequente Ausrichtung auf ökologische Energiequellen und die intelligente Netzstruktur machen Kelheims Wärmenetz zu einem Best-Practice-Beispiel für kommunale Wärmewende in Bayern.
Erschienen in zek KOMMUNAL, Ausgabe 1/2025