Österreichs größte Holzvergasungsanlage macht Fürstenfeld energieunabhängig

11. März 2025, Lesedauer: 7 min

Im Frühling war es soweit: Österreichs größte Holzvergasungsanlage ging in Vollbetrieb. Jährlich werden rund 16.000 MWh Strom erzeugt, was etwa 75 Prozent des Haushalts-Stromverbrauchs in Fürstenfeld entspricht – genug, um den Bedarf von umgerechnet rund 5.300 Haushalten zu decken. Die erzeugte thermische Energie von 20.000 MWh ist ausreichend, um einen Großteil von Fürstenfeld mit Wärme zu versorgen. Die oststeirische Stadtgemeinde ist somit einen wesentlichen Schritt weiter, um ihr ambitioniertes Ziel zu erreichen: 100 Prozent Energieversorgung mit grüner Energie.

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Zwölf Holzvergaser verstromen Pellets im größten Holzgas-Kraftwerk Österreichs. Gegenüber: die zugehörigen Blockheizkraftwerke. Seit ihrer Inbetriebnahme läuft die Anlage reibungslos. Das Betriebspersonal besteht aus drei hochmotivierten Fachkräften.
© Bernhard Bergmann

Die Ökoenergieregion Fürstenfeld ist eine von rund 124 Klima- und Energiemodellregionen in Österreich – und sicher eine der dynamischsten. Vielleicht liegt es ja an den speziellen Gegebenheiten vor Ort, denn hier wurde und wird das Potenzial natürlicher Ressourcen nicht nur früh erkannt, sondern Ideen zu deren Nutzung tatkräftig in die Realität umgesetzt. Hier in der Oststeiermark befindet sich eine der größten Thermenregionen Österreichs, die geothermische Energie und das warme Thermalwasser setzt man zum einen ganz klassisch zu Heilzwecken in Thermalbädern ein, zum anderen für den umweltschonenden und energieeffizienten Gemüseanbau sowie Tiefengeothermie zur Wärmegewinnung. Auch was die örtliche Energieversorgung anbelangt, geht die Gemeinde innovative Wege: Unter den 17.712 Kollektoren der zuletzt fertiggestellten PV-Anlage helfen eine Schar Weidegänse sowie eine Schafherde bei der Instandhaltung der rund zehn Hektar großen Fläche im Energiepark Fürstenfeld mit. Mit 12 MWh wird alleine durch diese Anlage Strom für 4.000 Haushalte geliefert. In Summe werden in der Gemeinde 15 MWh Energie mittels Photovoltaik produziert. Neben Geothermie und Sonnenkraft fand man mit der Holzvergasung einen weiteren wesentlichen Baustein für die Umsetzung des ehrgeizigen Ziels der Stadtwerke Fürstenfeld: 100 Prozent grüne Energie aus eigener Hand zu liefern. Denn genauso wie die beiden bereits genutzten natürlichen Energiequellen Geothermie und Sonnenkraft findet sich auch der Brennstoff Holz in großen Mengen vor Ort.

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Kaiserwetter beim symbolischen Spatenstich: Landtagsabgeordneter Mag. Lukas Schnitzer, DDI Dr. Franz Friedl (Geschäftsführer Stadtwerke Fürstenfeld), Bürgermeister Franz Jost und Claus Burkhardt (Burkhardt GmbH) (v.l.).
© Burkhardt

„Kraftstoff“ Pellets vor der Haustüre
Steirische Pellets sind der „Treibstoff“ für ­Fürstenfelds Energiewende-Erfolgsgeschichte. 11.000 Tonnen davon werden seit letztem Jahr in der modernsten Pellet-Holzvergaseranlage Österreichs zu Ökostrom und nachhaltiger Wärme. Jährlich werden rund 16.000 MWh Strom erzeugt, was etwa 75 Prozent des Haushalts-Stromverbrauchs in Fürstenfeld entspricht – genug, um den Bedarf von umgerechnet rund 5.300 Haushalten zu decken. Die erzeugte thermische Energie von 20.000 MWh ist ausreichend, um einen Großteil von Fürstenfeld mit Wärme zu versorgen. Der Zusatznutzen: Mehr als drei Millionen Euro fließen so in regionale Wertschöpfung und sichern Arbeitsplätze. Das Einsparungspotenzial im Vergleich zu den Gaspreisen ist nicht nur be­achtlich, sondern bedeutet auch Unabhängigkeit vom instabilen Weltmarkt und gewähreistet damit ein Maximum an Energieversorgungssicherheit.

Wirtschaftlicher Impuls für die Region
„Spätestens mit dem Krieg in der Ukraine war klar – wir müssen raus aus Öl und Erdgas“, sagt Franz Jost, Bürgermeister von Fürstenfeld. „Wozu brauchen wir fossile Brennstoffe, wenn wir die Rohstoffe für Pellets direkt vor der Haustür haben? Die Energiewende ist machbar und unser Pilotprojekt ist der Beweis dafür.“ Die Stadtwerke Fürstenfeld GmbH unter der Leitung von DDI Dr. Franz Friedl und Bürgermeister Franz Jost als Beiratsvorsitzender setzen die Energiewende vor Ort im Strom- und Wärmebereich tatkräftig um. Das Investitionsvolumen von 15 Millionen Euro sehen die Stadtwerke Fürstenfeld als gut angelegt, denn „erstens liefern wir damit einen wirtschaftlichen Impuls für unsere Region und zweitens wird sich das Projekt nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch rechnen“, ist sich Franz Friedl sicher.

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Das Holzvergaserwerk der Stadtwerke Fürstenfeld ist das derzeit größte und leistungsfähigste seiner Art in Österreich.
© Bernhard Bergmann

Investitionskosten geringer dank Pellets
Der „Kraftstoff“ Pellets, der die größte Holzvergaseranlage antreibt, wird als Nebenprodukt im regionalen Sägewerk erzeugt. Der Rohstoff für die Pellets wächst in der direkten Umgebung der Gemeinde und wird in der unmittelbaren Nachbarschaft „veredelt“. Die steirische Holzwirtschaft garantiert zukünftig die energetische Unabhängigkeit der Region. Die gesamte Wertschöpfung von der Produktion bleibt damit vor Ort. Die Entscheidung fiel wegen der wirtschaftlichen Investitionskosten auf Pellets sowie der platzsparenden Eigenschaften des genormten Brennstoffs, welcher ohne zusätzlichen Aufwand sofort verarbeitet werden kann. „Die Investitionskosten sind dadurch geringer als im Fall von Hackschnitzeln, obwohl der Brennstoff selbst teurer ist“, erklärt Leo Riebenbauer, Geschäftsführer des gleichnamigen technischen Büros und Chefplaner der neuen Anlage in Fürstenfeld.

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Das Herzstück der in Deutschland gefertigten Anlage sind zwölf Burkhardt-Blockheizkraftwerke mit MAN- Motoren, die durch Holzgas betrieben werden. In einem zweistufigen Verfahren wird Wärme gewonnen und Strom erzeugt. Dank modernster Filter und Katalysatoren ist die Anlage nahezu emissionsfrei.
© Burkhardt

Weniger Platzbedarf
Vorangegangen ist dem Projekt eine Besichtigung einer von TB Riebenbauer geplanten und realisierten Verstromungsanlage auf Pelletsbasis, woraus erste Überlegungen zum Strom- und Wärmekonzept der Zukunft für die Stadt Fürstenfeld ausgearbeitet wurden. Dieses überzeugte und somit wurde das steirische Planungsbüro mit der Einreichplanung, Detailplanung und Ausführungsbegleitung der Anlage betraut. „Das gesamte Konzept mit Pellets anstatt der Hackschnitzel war für uns auch aufgrund des geringeren Platzbedarfs und den damit verbundenen geringeren Errichtungskosten finanziell darstellbar“, ergänzt der Geschäftsführer der Stadtwerke Fürstenfeld. Die Planungs- und Bauzeit war mit insgesamt einem Jahr außergewöhnlich kurz – insbesondere in Hinblick auf eine der größten Herausforderungen bei der Errichtung der Anlage: „Aufgrund des geologischen Untergrunds des Bauplatzes war eine Tiefengründung mit etwa 150 Pfählen notwendig“, berichtet Planer Leo Riebenbauer.

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Feierliche Eröffnung mit den Projektbeteiligten und geladenen Gästen.
© Fürstenfelder Ökoenergie

12 Holzvergaser als Herzstück der Anlage
Das Herzstück der in Deutschland gefertigten Anlage sind zwölf Burkhardt-Blockheizkraftwerke mit MAN-Motoren, die durch Holzgas betrieben werden. Der Energie- und Gebäudetechnik-Spezialist Burkhardt aus dem bayerischen Mühlhausen überzeugte mit seiner Lösung auf Anhieb, der Enthusiasmus von Vertriebsleiter Claus Burkhardt sowie Projektleiter Helmut Kipfstuhl für das Projekt waren ausschlaggebend für das zügige Erteilen des Auftrags. Geliefert wurde von dem Unternehmen eine Anlage, bestehend aus den Holzvergasern des Typs V3.90S sowie aus den angeschlossenen BHKW ECO 165 HG – der ursprüngliche Dieselmotor MAN D 26 wurde im Hause Burkhardt für den Holzgasbetrieb umgebaut. Die zwölf Einheiten haben jeweils eine Leistung von 165 kWel und 265 kWth. In Summe liefert die Anlage 1.980 kWel und 3.180 kWth. In einem zweistufigen Verfahren wird bei der Holzvergasung Wärme gewonnen und Strom erzeugt. Dank modernster Filter und Katalysatoren ist die Anlage dabei nahezu emissionsfrei. Die anfallende Wärme der KWK-Anlage wird in das bestehende Fernwärmenetz eingespeist. Zusätzlich wurden in der KWK-Anlage zwei Pufferspeicher von ATG Anlagentechnik GmbH mit insgesamt 60.000 Liter Fassungsvermögen zum Spitzenlastausgleich eingebaut. Mit der Holzvergasungsanlage wird der Fernwärmebetrieb zu 90 Prozent regenerativ. Die CO2-Einsparung macht im Vergleich zu Erdgas pro Jahr über 11.000 Tonnen aus.

Heizwerk Fürstenfeld Die Holzvergaser wurden per Kran von den LKW-Zügen in die knapp 1000 qm große Werkshalle umgeladen Stadtgemeinde Fürstenfeld
Die Holzvergaser wurden per Kran von den Lkw-Zügen in die knapp 1.000 m2 große Werkshalle umgeladen.
© Stadtgemeinde Fürstenfeld

 

Heizwerk Fürstenfeld Stadtwerke Direktor DDI Dr. Franz Friedl und Bürgermeister Franz Jost waren bei der Ankunft der Herzstücke anwesend Stadtgemeinde Fürstenfeld
Stadtwerke Direktor DDI Dr. Franz Friedl und Bürgermeister Franz Jost waren bei der Ankunft der ersten sechs BHKWs im Dezember 2023 anwesend.
© Stadtgemeinde Fürstenfeld

Anlieferung per Kran
Im Oktober 2023 erreichten die ersten Holzvergaser inklusive der riesigen MAN-Motoren die Baustelle und wurden per Kran von den Lkw-Zügen in die knapp 1.000 m2 große Werkshalle umgeladen. Mit Ende Dezember wurde der Teilbetrieb des Holzvergaserwerks aufgenommen, seit Frühling diesen Jahres ist die Anlage in Vollbetrieb.

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Auf dem Dach und der Fassade der Anlage wurde zusätzlich eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 130 kWp installiert, um den Eigenstromverbrauch zu minimieren. Parallel dazu errichteten die Stadtwerke Freiflächen-Agri-PV-Anlagen mit rund 15 MWp in Kombination mit Schaf- und Gänsehaltung sowie PV-Anlagen auf öffentlichen Dächern mit rund 1 MWp.
© Bernhard Bergmann

 

Größter Batterie-Stromspeicher Österreichs in Bau
Spannungsschwankungen und Spitzen im Strombedarf werden künftig mit dem bis dato größten Batterie-Stromspeicher Österreichs ausgeglichen. Der Bau des Batterie-Stromspeichers der NGEN GmbH mit einer Kapazität von 24.000 kWh und 12.000 kW Leistung stabilisiert zudem das Netz und ermöglicht eine effektive Nutzung elektrischer Energie. In Österreichs größtem Batterie-Stromspeicher wird der Tagesverbrauch von rund 2.000 Haushalten zwischengespeichert – das ist ein neuer Rekord hierzulande. Mit dem Batteriespeicher können die Stadtwerke Fürstenfeld somit eine optimale Versorgung gewährleisten. Damit machen die Stadtwerke Fürstenfeld einen großen Schritt hin zu ihrem ambitionierten Ziel, 100 Prozent nachhaltige Energie selbst zu liefern. „Wir wollen im gesamten deutschsprachigen Raum eine Vorzeigegemeinde im Bereich der Ökoenergienutzung werden“, betont Bürgermeister Franz Jost die Vorreiterrolle Fürstenfelds in punkto Nachhaltigkeit.

Erschienen in zek KOMMUNAL, Ausgabe 3/2024