Wärme- & Energieversorgung

Regionale, erneuerbare Energie für Gewerbegebiet in Oberösterreich5 min read

14. Dezember 2022, Lesedauer: 3 min

Regionale, erneuerbare Energie für Gewerbegebiet in Oberösterreich5 min read

Lesedauer: 3 Minuten

Dass Ökonomie und Ökologie sich nicht ausschließen, beweist das Gewerbegebiet im oberösterreichischen Vorchdorf. Ganz im Gegenteil: Durch die Wärme- und Stromversorgung über Holzvergasung ist der Industriestandort unabhängig von Gasimporten. Zudem profitieren auch private Abnehmer von der nachhaltigen Energieerzeugung. Vor bald fünfzehn Jahren von Landwirten gemeinsam gegründet, erzielte die Nahwärme Vorchdorf mit einer Leistungssteigerung und technischer Aufrüstung einen signifikanten Modernisierungsschub.

 

In Vorchdorf befindet sich das erste Gewerbegebiet Oberösterreichs, das ausschließlich auf Nahwärme setzt: Alle angesiedelten Betriebe werden mit Wärme aus Biomasse versorgt. Möglich macht das die Nahwärme Vorchdorf. Nach etlichen Erweiterungen seit der Inbetriebnahme 2008 reagierte man mit den letzten baulichen und technischen Maßnahmen auf den gestiegenen Bedarf und machte das Heizwerk fit für die Zukunft. „Die Nahwärme Vorchdorf ist an uns herangetreten, um ein Konzept erstellen zu lassen, wie der gestiegene Wärmebedarf am effizientesten abgedeckt werden kann“, erzählt der für die letzte Optimierung zuständige Planer Leo Riebenbauer. „Aufgrund des ständig wachsenden Netzes war zusätzliche Wärmeerzeugungsleistung notwendig. Neben den neuen Biomassekesseln mit 3 MW (Urbas) und 500 kW (ETA Heiztechnik) wurden daher drei Holzgas-BHKW-­Anlagen errichtet.“

Verglühen statt verbrennen
Die Holzgasanlagen sind das Herzstück der Anlage: Statt Hackschnitzel zu verbrennen, verglühen diese im Prozess und die entstehenden Gase werden zur Stromgewinnung verwendet. In Vorchdorf vertraut man auf ­österreichische Qualität und setzt auf eine vollautomatische Lösung von VEE aus dem vorarlbergischen Bürserberg. Zum Einsatz kommen drei Anlagen des Typs wp2.150 mit einer Leistung von jeweils 165 kWel. Kern der Anlage ist ein über Jahre entwickelter Gleichstrom-Festbettvergaser in Kombination mit einem speziell ­darauf abgestimmten Gewebefilter. Auch für viele andere Anlagenteile, wie etwa Brennstoffschleuse oder Kohlestaub-Ausschleusung, wurden Systeme entwickelt, die weniger störungsanfällig und wartungsfreundlicher sind als Standardlösungen. Neben dem Hauptprodukt Strom für umgerechnet 1.200 Zwei-Personen-Haushalte pro Jahr wird zusätzlich in einem 3-MW-Biomassekessel Wärme gewonnen, die anschließend ins Netz eingespeist wird. Momentan sind über 200 Betriebe und Haushalte an das Vorchdorfer Nahwärmesystem angeschlossen und werden mit sauberer Energie versorgt. Jährlich werden so zwei Millionen Liter Heizöl eingespart. Durch die räumliche Nähe zu einigen Großabnehmern im angrenzenden Industriegebiet werden aufgrund der Kürze des Rohrnetzes Wärmeverluste minimiert.

 

Wertschöpfung in der Region
Das Projekt Nahwärme Vorchdorf startete bereits 2008: Damals schlossen sich Vorchdorfer Landwirte zusammen und waren überzeugt, dass das Nahwärmekonzept nicht nur nachhaltig, sondern auch krisensicher ist. 40 Landwirte, die zugleich Eigentümer der Nahwärme Vorchdorf sind, beliefern das Unternehmen mit regionalen Hackschnitzeln. Neben dem eingesparten Kohlendioxid von 6.700 Tonnen CO2 pro Jahr bewirkt auch der Ursprung des Brennstoffs einen nachhaltigen Effekt. Denn das Hackgut wird aus den Wäldern der Region bezogen, was kurze Transportwege und eine lokale Wertschöpfung schafft. Zudem werden Wälder, Hecken und Ökoflächen bewirtschaftet und das regionale Erscheinungsbild bleibt erhalten. Um den Betrieb des Heizwerks noch nachhaltiger zu gestalten, entschied man sich eine Photovoltaikanlage mit insgesamt 175 kWp zur Abdeckung des Strom­eigenbedarfs zu integrieren. Produzierte Überschüsse werden ins Netz eingespeist.

Ressourcenschonender Trocknungsprozess
Um die fünf Biomassekessel, drei Holzgas­-BHKW-Anlagen, zwei Pufferspeicher mit zusammen 250.000 Liter Speicherkapazität und die Trocknungsanlage mit der Brennstoffördertechnik effizient betreiben zu können, war eine übergeordnete Regelung notwendig, die automatisiert abläuft. Somit ist die Anlage imstande, schnell auf veränderte Bedingungen wie Wärmeabnahme oder Hackgutfeuchte, welche für den Trocknungsprozess relevant sind, reagieren zu können. In Vorchdorf trägt die Raumwärme der BHKW- und Biomassekesselanlagen einen Großteil zur Trocknung des Hackguts bei (auf 25 Prozent Wassergehalt), um Ressourcen einzusparen. In der zweiten Trocknungsstufe wird unter anderem die Niedertemperatur-Wärme aus der Gemischkühlung des Gasmotors effizient genutzt, um das Hackgut auf den Zielfeuchtegehalt zu bringen. Durch dieses Abwärmekonzept wird Trocknungsenergie, die der Leistung eines 120 kW Kessels entsprechen würde, eingespart. Das Hackgut wird mittels einer Siebanlage direkt am Standort aufbereitet. Leistungsstarke Hydraulikzylinder von Glock Ecotech treiben drei Schubboden-Sektionen an, die das Hackgut zum Querförderer zur Kesselbeschickung befördern.

Begrenztes Platzangebot
Eine besondere Herausforderung stellte das begrenzte Platzangebot auf dem Grundstück und somit auch im Gebäude dar – was die Planung der Anlagenkomponenten im Inneren des Gebäudes schwierig gestaltete. „Durch exakte Planung konnten die Lüftungsleitungen bis 2 x 2 m Querschnitt, heizungsseitige Leitungen bis DN200, die beiden Heizkessel mit 3 MW und 500 kW, die drei Holzgas-­BHKW Anlagen mit je 165 kW elektrisch und die Brennstofftrocknung sowie -aufbereitung durch eine Siebung im Gebäude optimal untergebracht werden“, zählt Leo Riebenbauer die technischen Komponenten im Inneren des Heizwerks auf.

Zu­kunfts­wei­sen­de Tech­no­lo­gie zur Ent­stau­bung von Rauch­ga­sen
Um die Feinstaubbelastung in der oberösterreichischen Gemeinde so gering wie möglich zu halten, entschied man sich für den effizienten Elektrofilter von Scheuch. Die Aus­le­gung von Elek­tro­fil­tern zur Rauch­gas­rei­ni­gung nach Ver­bren­nungs­pro­zes­sen er­for­dert ho­hes Ver­fah­rens-Know-how, da eine Viel­zahl an Pa­ra­me­tern zu be­rück­sich­ti­gen sind. Ei­ner­seits sind die di­rekt auf die Ab­schei­de­ef­fi­zi­enz Ein­fluss neh­men­den Rauch­ga­s­pa­ra­me­ter und ­die Asche­zu­sam­men­set­zung, an­de­rer­seits aber auch die Rah­men­be­din­gun­gen des Pro­zes­ses zu be­ach­ten. Nur durch die rich­ti­ge Be­ur­tei­lung der Vor- und Nach­tei­le der ver­schie­de­nen Tech­no­lo­gi­en bzw. de­ren Kom­bi­na­tio­nen, bei­spiels­wei­se mit nach­ge­schal­te­ten Wär­me­rück­ge­win­nungs­sys­te­men, ist eine op­ti­ma­le kun­den­spe­zi­fi­sche Lö­sung er­ziel­bar. Für den 3 MW starken Heizkessel entschied man sich in Vorchdorf für das System des oberösterreichischen Spezialisten Scheuch, das mit seinen hohen Abscheidegraden und der Unempfindlichkeit gegen Lastschwankungen, Funkenflug und Überhitzung punktet.

Gute Aussichten
Das neue Heizwerk ist nunmehr seit Anfang Juni in Betrieb. Nach den ersten Monaten ist abzusehen, dass die Holzvergaseranlagen auf einem guten Weg sind das Ziel von mindestens 8.000 Betriebsstunden pro Jahr zu erreichen bzw. zu übertreffen und die Nahwärme Vorchdorf technisch optimal ergänzen.

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